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IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn
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gewährleisten.341 Zeitgleich konstatierte mit Wolfgang Kitzmüller ein weiterer Linzer
Armine – nicht zuletzt unter Verweis auf den Aufstieg der FPÖ – , dass „unser Lager“
sich nun „verstärkt seine Meinung in der Öffentlichkeit ( … ) zu vertreten“ getraue , wie
die „steigende Anzahl abgedruckter Leserbriefe und Artikel“ zeige. Tatsächlich sei es an
der Zeit , so Kitzmüller , „gegen den linken Gesinnungsterror und das unerträglich ver-
logene Kulturgesülze endlich ein( en ) selbstbewusste( n ) Gegenpol zu formulieren“.342
Wie diese Aussage schon andeutet , führten die Burschenschaften in Österreich
trotz des Scheiterns ‚neurechter‘ Anklänge zur Mitte des Jahrzehnts ihren schon län-
ger gepflogenen , metapolitischen Kampf gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘ fort. Eine
Selbstdarstellungsschrift der DBÖ aus den 1990er-Jahren definiert die Burschenschaf-
ten als „abseits kurzlebiger Zeitströmungen“ stehende Vereinigungen , welche ihrem
Bildungsauftrag „auch abseits des Zeitgeistes und jenseits von ‚political correctness‘ “
nachkämen.343 Der WKR wandte sich 2007 auf einem Flugblatt gegen „politisch ‚kor-
rekte( n )‘ Sprachgebrauch , amtliches Geschichtsbild , gerichtlich geschützte Wahrheit ,
verordnete Verdummung“. „Alle Köpfe“ seien „besetzt“, mit Ausnahme jener der Bur-
schenschafter. Letztere würden „( i )n der zweiten Republik ausgegrenzt“, da sie „zu we-
nig umerzogen“ seien.344 Und Martin Graf bekannte sich 2009 unmissverständlich zum
‚Kampf um die Köpfe‘ :
Wir Burschenschafter sind gefordert , unseren Werten wieder einen größeren Stellenwert in
der Gesellschaft zu erkämpfen
– durch politisches Engagement , vor allem aber auch in jenen
Berufen , die für die Bildung der Menschen mitverantwortlich sind : Pädagogen , Philosophen ,
Historiker , Journalisten , Künstler.345
Im Sinne der Verbreitung burschenschaftlicher Werte zeigte Graf selbst sich seit sei-
ner Wahl zum Dritten Nationalratspräsidenten 2008 hochaktiv. Ein von seinen dama-
ligen Mitarbeitern Walter Asperl ( Olympia ) und Alexander Höferl ( Gothia ) getragener
Verein zur Förderung der Medienvielfalt betreibt seit 2009 das Online-Informations-
portal Unzensuriert und seit 2011 ein gedrucktes Magazin gleichen Namens. Im Besitz
341 Arminenbrief , ( mutmaßlich ) Sommersemester 1995 , 3.
342 Ebd., 6.
343 AVSt , DBÖ 1994 , 19 bzw. 16. Die Rede von der ‚political correctness‘ hat innerhalb der österreichischen
( extremen ) Rechten in jüngerer Zeit jene von der ‚Umerziehung‘ ergänzt und teilweise abgelöst. Un-
verändert blieb dabei die Selbstwahrnehmung der Rechtsextremen als mannhafte ( Befreiungs-)Kämp-
fer gegen eine vermeintliche ‚Meinungsdiktatur‘ und sogenannten ‚Gesinnungsterror‘.
344 PBW , WKR-Flugblatt vom Oktober 2007 ( Kapitalisierung entf. ). Rund ein Jahr später richteten die
Olympen sich ebenfalls mit einer Flugschrift an die studentische Öffentlichkeit , in der vermeintliche
Meinungsmanipulation durch Medien und das DÖW gegeißelt wurden ( vgl. PBW , Flugblatt der aB !
Olympia Wien vom November 2008 ).
345 Graf 2009b , 7 f.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619