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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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momente und wiederholter Selbstbezichtigung kann er seiner terroristischen Tätig-
keit unbehelligt nachgehen
– „unter den Augen der Staatspolizei , von dieser mehr be-
schützt als beschattet“, wie die Furche 1966 konstatiert.424 Auch materielle Förderung
wird Burger von staatlicher Seite zuteil : Bis Ende 1966 wird er u. a. mittels zweimali-
ger Vertragsverlängerung als Universitätsassistent in Lohn und Brot gehalten – auch
während er sich durch Flucht der Strafverfolgung entzieht. Eine parlamentarische An-
frage des SPÖ-Abgeordneten Otto Skritek beziffert die Burger von der Republik zwi-
schen 1962 und 1966 überwiesene Summe mit rund ÖS 300. 000. 425 Österreichische
Gerichte sprechen Burger , nach eigenen Angaben Teilnehmer an allen maßgeblichen
Terroraktionen bis 1963426 , dreimal frei.
1967 werden vom Innsbrucker Brixen Hans-Jörg Humer mindestens zwei Anschläge
verübt.427 Im selben Jahr sterben an der Grenze zwischen Osttirol und dem Veneto vier
italienische Soldaten , die dem Anschein nach auf der Porzescharte in eine Minenfalle
gelockt worden waren.428 Vier Österreicher werden dafür in Italien als Attentäter ange-
klagt und ( in Abwesenheit ) schuldig gesprochen werden , darunter die Burschenschaf-
ter Hartung und Burger – ein Fehlurteil , wie jüngste Forschung nahelegt.429 Vor dem
Hintergrund laufender Verhandlungen mit Italien über die Südtirolfrage ( und Öster-
reichs angestrebter EWG-Assoziierung ) wird Burger 1968 nun doch auch in Öster-
reich zu einer achtmonatigen Haftstrafe wegen öffentlicher Billigung von Verbrechen
verurteilt.430 Im selben Jahr erfolgt eine Verurteilung Hartungs im zweiten Anlauf in
der Porzescharte-Causa , er wird aber ( nach erfolgreichem Abschluss der Verhandlun-
gen über die Paketlösung ) 1971 in der Berufung freigesprochen ; Bundespräsident Kirch-
schläger schlägt den Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft nieder.431 Zwischen
1978 und 1982 sowie zwischen 1986 und 1988 kommt es zu neuerlichen Anschlags serien.
Viele Indizien deuten auf eine tiefe Verstrickung italienischer Geheimdienste in die
424 Die Furche Nr. 46 / 1966 ; da die entsprechende Ausgabe behördlich beschlagnahmt wurde , wird der Ar-
tikel hier nach der Arbeiter-Zeitung vom 25. 11. 1966 ( S. 3 ) zitiert.
425 Vgl. den Bericht des Kurier ( „Bombenwerfer auf Staatskosten“ ) vom 10. 2. 1967 sowie das stenographi-
sche Protokoll der 117. Sitzung des Österreichischen Nationalrates vom 28. 11. 1968 ( Anfrage 1003/J ),
9490–9494.
426 Vgl. Wochenpresse Nr. 10 / 1963 , 4. Ausführlicher zu Burgers zentraler Rolle im Südtirolterror und seiner
behördlichen Behandlung vgl. Weidinger 2013 , 389 f.
427 Vgl. Peterlini 2011 , 385. Humer entfernt sich wie Wintersberger später vom völkischen Aktivismus und
wird Universitätsprofessor in Innsbruck.
428 Vgl. ebd., 400–402.
429 Vgl. Speckner 2013 , der eine italienische Geheimdienstinszenierung vermutet , durch die gleichzeitig ein
Unfall bei einer militärischen Verminungsübung vertuscht werden sollte.
430 Burger hatte zuvor u. a. in einem ARD-Interview für den Terror geworben. Vgl. zur Verurteilung Pe-
terlini 2011 , 403 ; DIE ZEIT Nr. 26 / 1968 ; Arbeiter-Zeitung vom 16. 5. 1970 , 4.
431 Vgl. Peterlini 2011 , 404 bzw. 425.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619