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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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Letztlich wird anstelle der Sammelaktion und Spendeverpflichtung beschlossen , die
Alten Herren der DBÖ-Bünde zu freiwilligen Zuwendungen an die Südtirolfreunde
aufzurufen. Ob der ungewohnten Reserviertheit jedenfalls mancher Bünde gegenüber
dem Vorstoß der Brixen und Olympen eine Befürchtung oder gar Gewissheit zugrun-
delag , sich durch eine Beteiligung in der vorgesehenen Weise der Terrorfinanzierung
schuldig zu machen , konnte nicht abschließend geklärt werden. Wintersberger zeigt
sich freilich überzeugt , dass „im Rahmen der DBÖ … jeder gewusst hat , wofür der
Burger steht“. Dass der Spendenaufruf der aufrechten Südtirolfreunde der Finanzie-
rung gewaltsamer Aktionen dienen sollte , hält Wintersberger „selbstverständlich ( … )
für wahrscheinlich“ und vermutet , dass dies den DBÖ-Bünden auch bewusst gewesen
sei. Die Burger-Linie sei „nicht in Frage gestellt“ worden , wobei nicht jeder „im glei-
chen Ausmaß damit sympathisiert“ und „schon gar nicht … sich jeder daran beteiligt“
habe.452 Die freiwillige Spendenaktion verläuft in jedem Fall „erfolgreich“, wie Volks-
tumsreferent Heinz Hauffe im Folgejahr festhält. „( D )ie Namen von den Herrn Bbr.
Bbr. Dr. Burger und Dr. Büchele“ würden „die richtige Verwendung der eingegangenen
Geldmittel gewährleisten“.453 Eineinhalb Monate später kommt es zur ‚Feuernacht‘.454
In burschenschaftlichen Kreisen herrscht zu diesem Zeitpunkt wenig Scheu , die eige-
nen Verbindungen zum militanten Südtirol-‚Aktivismus‘ zu offenbaren : Nach Darstellung
Schweinbergers verteilen Burschenschaften in allen damaligen Hochschulstädten Öster-
reichs bereits am Morgen danach „Flugblätter ( … ), worin die Freiheitskämpfer ihre Ta-
ten begründeten“.455 Die behördliche Auflösung Olympias mahnt schließlich zu größerer
Vorsicht. Anfang 1962 erklärt der Gemeinsame Hauptausschuss von DBÖ- und Alther-
rentag gegenüber dem ob der Vorfälle beunruhigten bundesdeutschen Dachverband , „die
Mitarbeit von einzelnen Burschenschaftern bei , im Zusammenhang mit Südtirol durch-
geführten Sprengstoffanschlägen“ sei „ohne Kenntnis und nicht im Rahmen der einzel-
nen Burschenschaften erfolgt( )“456 – eine Darstellung , die zumindest für Olympia und
452 Interview mit Helmut Wintersberger vom 4. 1. 2012.
453 BAK , DB 9 , E. 4 [ A2 ], Anlage 2/6 zur Niederschrift des ( ord. ) DBÖ-Tages 1961 , 1. Auffällig ist , dass
der Brixe Hauffe nicht nur Büchele , sondern auch den Olympen Burger als „Bbr.“ ( Bundesbruder ) mar-
kiert
– eine Bezeichnung , die im Allgemeinen Mitgliedern der eigenen Verbindung vorbehalten ist und
möglicherweise auf Burgers Status als Verkehrsgast bei den Brixen verweist , eventuell aber auch auf die
gemeinsame Vergangenheit Hauffes , Bücheles und Burgers in der Pennalverbindung Grenzmark
– spä-
tere Alemannia – Innsbruck ( Auskunft Helmut Wintersbergers per E-Mail vom 3. 4. 2013 ).
454 Zu betonen ist an dieser Stelle , dass
– sehr im Gegensatz zum Fall Burgers
– die Literatur keinen Hin-
weis auf eine direkte Involvierung Bücheles in terroristische Aktivitäten liefert. Vielmehr tritt dieser
noch 1961 aus seiner Burschenschaft aus und rund zwei Jahre später in den Jesuitenorden ein. 1969 emp-
fängt er die Priesterweihe , 1972 übernimmt er die Leitung der Katholischen Sozialakademie Österreichs.
Von 1978 bis 2001 wirkt er als Theologieprofessor an der Universität Innsbruck.
455 Schweinberger 2009 , 119.
456 Zit. in BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], DBÖ-Rundschreiben Nr. 3 ( Cruxia ) vom 25. 2. 1962 , 2.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619