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IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik
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im Verweis auf die tolerante bis unterstützende Haltung Dritter. In der Tat waren die
terroristischen Aktivitäten in Südtirol / Alto Adige jedenfalls anfänglich in einen er-
staunlich umfassenden Konsens sowohl innerhalb der politischen und medialen Elite
Österreichs als auch einer breiteren Öffentlichkeit eingebettet.471 Dies belegen nicht
zuletzt Ablauf und Ergebnisse der Südtirolprozesse in Österreich , die teilweise zu Ma-
nifestationen völkischer Verbundenheit zwischen Anklage- , Richter- und Geschwore-
nenbank mutierten.472 Entsprechend selbstbewusst konnte Zinkl bereits 1964 festhal-
ten , dass , „wie die Erfahrung zeigt , sich in Österreich keine Geschworenen finden , die
die Beteiligung am Südtiroler Freiheitskampf als Verbrechen werten“.473 Auch die Si-
gnale , welche die politische Elite an die Terroristen aussendete474 , waren oft eher dazu
angetan , deren Motivation zu stärken als ihr Unrechtsbewusstsein.
Zusammenfassend lässt sich festhalten , dass eine erhebliche , d. h. über Einzelfälle
hinausreichende Zahl an Burschenschaftern aktiv und teilweise in führender Funktion
in den Südtirolterror involviert war. Im Falle Olympias und Brixias nahm die Beteili-
gung Ausmaße an , die mit einiger Berechtigung von einer korporativen Involvierung
sprechen lassen. Auf Verbandsebene konnten Angehörige der genannten Burschen-
schaften über Jahre die Südtirolpolitik der DBÖ prägen. Auch wenn die Quellen-
lage es nicht zulässt , den Burschenschaftern im Österreich der 1960er-Jahre pauschal
Sympathien für einen ‚Volkstumskampf‘ mit allen Mitteln zu attestieren475 , so legt
sie doch nahe , dass eine sympathisierende Haltung unter ihnen vorherrschend war
und bis heute geblieben ist. Der Griff zu terroristischen Methoden wird in der bur-
schenschaftlichen Publizistik , jedenfalls im Fall des Südtirolkonflikts , nach wie vor
und die Verhandlungen in die Länge zu ziehen“, hätten sie italienisches Fehlverhalten in den Hinter-
grund der internationalen Wahrnehmung gedrängt , Rom den Übergang „von der Anklagebank ( … )
zum Ankläger“ ermöglicht und die italienische Regierung in ihrer restriktiven Haltung bestärkt , um
gegenüber Terroristen „nicht allzu nachgiebig“ zu erscheinen ( Gehler 1997b , 202 f. ). Mit Klaus Mah-
nert stellte selbst ein FPÖ-Nationalrat und ( bundesdeutscher ) Burschenschafter die Sinnhaftigkeit der
Anschläge in Abrede ( vgl. ebd., 375 ).
471 Für den Bereich der Presse sind als maßgebliche Ausnahmen die linken Parteimedien Arbeiter-Zei-
tung ( SPÖ ) und Volksstimme ( KPÖ ) zu nennen. Insbesondere Erstere zeigte sich in ihrer Berichter-
stattung zum Südtirol- und sonstigem rechtsextremen Terror um 1960 allerdings wiederholt vorschnell
in der Feststellung burschenschaftlicher Verwicklungen ( vgl. u. a. die Ausgaben vom 23. 11. 1961 , 2 ; vom
24. 11. 1961 , 1 ; vom 1. 12. 1961 , 1 ).
472 Vgl. die Arbeiter-Zeitung vom 15. 10. 1965 , 1 ; Schweinberger 2009 , 117 ; Peterlini 2011 , 386.
473 Burschenschaftliche Blätter Nr. 5 / 1964 , 102.
474 Vgl. dazu die Ausführungen von Wrabetz ebd., 104 sowie in Ausgabe Nr. 1–2 / 1964 , 8 der Blätter.
475 Selbst unter den Olympen scheint eine gewisse Bandbreite an Haltungen existiert zu haben. Darauf lässt
der Umstand schließen , dass jene bundinterne Spendensammlung , die von den Behörden als Argument
zur Auflösung der Verbindung herangezogen wurde , mit einer Ausschlussdrohung für sich der Spende
enthaltende Bundesbrüder verknüpft worden war. Dies könnte bedeuten , dass tätige Solidarität mit den
Südtirol-‚Aktivisten‘ nicht allen im Bund als selbstverständlich erschien.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619