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V. Burschenschaften und politische Parteien
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Klub erstmals 1996 eine Mehrheit an Nicht-AkademikerInnen auf , was seither ( mit
Ausnahme von 2002 : genau 50 % ) stets der Fall war. Geht man vor dem Hintergrund
des parteiinternen Ringens um Listenplatzierungen davon aus , dass numerisch schwa-
che Parlamentsklubs den elitären Kern des FunktionärInnenapparates einer Partei ab-
bilden , so deuten diese Entwicklung des AkademikerInnen- und die zuvor erwähnte
Entwicklung des Männeranteils im Fall der FPÖ auf eine starke männliche und aka-
demische Prägung auch dieses Kerns hin ; stark nicht nur absolut oder im Vergleich mit
anderen Parteien , sondern
– wie die ein vielfältigeres Profil widerspiegelnde Entwick-
lung in Stärkephasen suggeriert – auch im Verhältnis zur Gesamtpartei.
Der Korporiertenanteil verzeichnete seinen niedrigsten Stand mit dem ersten FPÖ-
Klub 1956 bis 1959 ( 16,7 % ) bzw.
– unter den über die gesamte Periode amtierenden Man-
datarInnen
– zwischen 1990 und 1994 ( 14,3 % ). Seine höchsten Werte von 60 und mehr
Prozent erreichte er in den 1970er-Jahren , mit dem Höchststand von 63,6 Prozent ( oder
sieben von elf Abgeordneten ) zwischen 1975 und 1979.23 Die Wahl 1983 ( unter Norbert
Steger ) markierte einen Einbruch , der sich , wie schon jener des AkademikerInnen-
anteils , aus den Personalrochaden im Zuge der ersten freiheitlichen Regierungsbetei-
ligung auf Bundesebene ergab , sich in weiterer Folge aber bestätigen sollte. Während
der Obmannschaft Haiders wurden vier der sechs niedrigsten Korporierungswerte der
Parteigeschichte ( jeweils um die 20 % ) verzeichnet. Unter Strache kehrte der Korporier-
tenanteil zunächst wieder auf ein Niveau zurück , das zuletzt unter Friedrich Peter üb-
lich gewesen war. Bemerkenswert ist daran insbesondere der spektakuläre Anstieg im
ersten Klub der Strache-Ära : von 18,2 Prozent Korporierten in der ‚Regierungsfraktion‘
von 2002 bis 2006 ( bzw. aufgrund der Parteispaltung de facto bis 2005 ) auf 50 Prozent
nach den Wahlen 2006. Unter den Abgeordneten mit voller Amtsperiode fiel der An-
stieg noch drastischer aus ( von 16,7 auf 57,9 % ).
Gleichzeitig fand auch unter Strache – jedenfalls zunächst – ein Phänomen Bestä-
tigung , das sich über den gesamten Zeitraum der Zweiten Republik zieht : die negative
Korrelation von Fraktionsgröße und Korporierungsgrad , wie sie ähnlich schon für den
AkademikerInnen- und den Männeranteil zu beobachten war. Während Korporierte
historisch zu jeder Zeit eine fixe Größe in den freiheitlichen Nationalratsklubs bildeten ,
wuchs ihr Anteil bei überdurchschnittlich erfolgreichen Wahlgängen nicht proportional
zu den Mandatsgewinnen an , sondern nahm – wie schon Lunznig in der Gegenüber-
stellung von Korporierungsquote und Mandatsentwicklung für die Zeit ab 1970 zeigen
23 Hingewiesen sei an dieser Stelle auf die bei Stimmer angegebenen Korporierungswerte , die
– wohl aufgrund
Stimmers weiterer Fassung des Kriteriums ‚Verbindungszugehörigkeit‘ – teilweise stark von den meinigen
abweichen. Für die FPÖ-Nationalratsfraktion 1956 ff. bzw. 1966 ff. nennt er einen Anteil von jeweils 67 Pro-
zent ( bei mir : 16,7 % bzw. 33,3 % ), für 1979 ff. einen Anteil von 55 Prozent ( gegenüber 61,5 % ). Lediglich für
1979 treffen sich Stimmers und meine Werte bei ( gerundeten ) 39 Prozent ( vgl. Stimmer 1997 , Band II , 1068 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619