Page - 503 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 503 Jörg Haider eingeleiteten Wende an führender Stelle“ beteiligt ; während der 1992 be- ginnenden Obmannschaft Bernhard Gratzers seien „Burschenschafter“ jedoch „von der niederösterreichischen Parteiführung ferngehalten“ worden.195 Immer stärker griff Hai- der bei Personalentscheidungen auf nicht den üblichen freiheitlichen Rekrutierungs- feldern entstammende junge Männer zurück , in der Regel ohne Hochschulabschluss , häufig auch ohne Matura und , nicht zuletzt , ohne klares ideologisches Profil : die so- genannte ‚Buberl-Partie‘.196 Zum einen versprachen diese neuen Aktivisten , Haiders politische Flexibilität kaum durch eigene politische Agenden einzuschränken und ihm treue Gefolgschaft zu leisten.197 Zum anderen musste während des rasanten Wachs- tums der Partei  – und des parallelen Austritts eines nicht geringen Teils der sich als li- beral verstehenden Kader  – notgedrungen eine gewisse Beliebigkeit bei der Rekrutie- rung für neu zu besetzende Mandate und Ämter walten gelassen werden.198 Um das Kompetenzdefizit der Neuen auszugleichen , aber wohl auch um nachhaltig alternative Kaderschmieden zu etablieren , forcierte Haider den Ausbau der parteiinternen Fort- bildungsarbeit ( vgl. Unterkapitel V.7 ). Die offenkundige Konkurrenzsituation , politische und kulturelle Differenzen erleg- ten der innerparteilichen Annäherung zwischen Neofunktionären und korporiertem Stammpersonal enge Grenzen auf. Den Graben zwischen beiden illustriert etwa ein In- terview mit dem späteren Finanzminister Karl-Heinz Grasser in der Aula 1993. Grasser , damals 24 , war von Haider eben zum Geschäftsführer des Freiheitlichen Bildungswerks ( FBW ) ernannt worden , womit er eine zentrale Position im parteieigenen Ideologisie- rungs- und Bildungsapparat übernommen ( und den Wirkungsbereich der korporierten Zentralgestalt Andreas Mölzer beschnitten ) hatte. Umso mehr war Grassers Outing als „kein großer Ideologe“ und seine Ablehnung eines „übersteigerte( n ) Volksbewußt- sein( s )“ gegenüber Aula-Redakteur Jürgen Hatzenbichler geeignet , in völkischen Krei- sen für Irritation zu sorgen. Seine Antwort auf die völkische Gretchenfrage nach der „nationalen Identität in Österreich , die ja“  – so Hatzenbichler  – „mehrheitlich eine 195 Lindinger 2009 , 71 f. 196 Die Verschiebungen in der freiheitlichen Personalstruktur unter Haider sollten gleichwohl nicht über- schätzt werden : Während die WählerInnenschaft der FPÖ in dieser Zeit wesentliche Änderungen durch- lief , blieb die Partei Höbelt zufolge „( v )on ihren Mitgliedern und Funktionären her ( … )‚ die alte‘ “; in Oberösterreich , der größten Landesorganisation , hätten sich die Proportionen der Berufs- und Alters- gruppen in den 1980er- und 1990er-Jahren „allenfalls um einige Promille verschoben“ ( Höbelt 2001 , 106 ). Die hohe Medienpräsenz der ‚Buberln‘ könnte BeobachterInnen dazu verleitet haben , ihre Be- deutung zumindest in quantitativer Hinsicht zu überschätzen. 197 Frischenschlager bezeichnet dementsprechend „Hörigkeit“ als Haiders Hauptauswahlkriterium in Per- sonalfragen ( Interview vom 11. 12. 2009 ). 198 Allesch unterstreicht die Bedeutung der Austritte und gibt an , die Partei habe schließlich bisweilen einfach „den Nächstbesten genommen oder irgendeinen , der halbwegs reden kann“ ( Interview vom 13. 11. 2009 ).