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V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten
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als qua Silvanen-Band „einer von uns“ dafür verantwortlich , dass ernsthafter Wider-
stand von völkisch-dogmatischer Seite zunächst weitgehend ausblieb.205 Ein nicht zu
vernachlässigender Begleitaspekt des erwähnten Relevanzgewinns bestand auf indivi-
dueller Ebene in erweiterten Karriereperspektiven. Der insgesamt wachsende Kuchen
kompensierte , dass Ämter und Einfluss nun mit nicht korporierten Jungmännern und
‚Quereinsteigern‘ geteilt werden mussten.
Zahlreiche Möglichkeiten in dieser Hinsicht eröffnete auch die 2000 zwischen FPÖ
und ÖVP eingegangene Regierungskoalition. Während Korporierte , wie in Abschnitt
V.1.1 ausgeführt , unter den Regierungsmitgliedern zunächst wenig präsent waren , zeigte
sich , dass die Partei in der zweiten Reihe auf ihre Fachkompetenz und Erfahrung nicht
verzichten konnte. In den MinisterInnenkabinetten und der hohen Ministerialbürokra-
tie wurde umfangreich auf sie zurückgegriffen , wobei auch Veteranen der rot-blauen Re-
gierungsperiode zum Zuge kamen.206 Auf politischer Ebene war der parteiinterne Be-
deutungsverlust der ‚Nationalen‘ zu diesem Zeitpunkt allerdings weit fortgeschritten.
Dies begründete einen Unmut , der durch weitere Entwicklungen der Partei ab Regie-
rungseintritt
– in deutlichen Parallelen zur ersten Regierungsbeteiligung zwischen 1983
und 1987 – noch verstärkt wurde : Erstmals seit der Ablöse Stegers zeigten Umfrage-
daten und bald auch Wahlergebnisse eine klare Tendenz nach unten ; die strukturellen
Zwänge der Exekutivfunktion und die notwendigen Konzessionen an den erfahrenen
Koalitionspartner machten die Umsetzung langjähriger Anliegen und eine Profilierung
wie zu Oppositionszeiten schwierig bis unmöglich ; und zusätzlich zeigte das gemes-
sen an der Gesamtpartei politisch moderat aufgestellte Regierungsteam sich wenig ge-
neigt , seine Politik umfassend nach dem Vorstellungen völkischer Kreise zu gestalten.
Ein erster Aufstand in Knittelfeld 2002 zog Neuwahlen nach sich , ein zweiter – klarer
auf die verbindungsstudentisch geprägten alten Kernschichten eingrenzbarer – folgte
2004 mit Andreas Mölzers Vorzugsstimmenwahlkampf zur Europawahl. Die weniger
an eine allgemeine Öffentlichkeit als an die freiheitliche FunktionärInnen- und Kern-
wählerInnenschaft gerichtete Kampagne veranschaulichte zum einen
– anhand ihrer tra-
genden Personen – den erwähnten innerparteilichen Bedeutungsverlust der völkischen
Fundamentalisten207 ; zum anderen
– über ihren erfolgreichen Ausgang
– aber auch des-
205 Interview mit Scheichl vom 8. 6. 2012. Frischenschlager vermutet , dass Haiders Distanzierungen und
Kurskorrekturen ( jedenfalls zunächst ) toleriert wurden , weil man in völkischen Kreisen dahinter rein
taktisches Kalkül vermutet habe ( Interview vom 11. 12. 2009 ).
206 So feierte etwa der schon als stellvertretender Kabinettschef Stegers erwähnte Helmut Günther
ein Comeback als Sektionschef im Sozialministerium ( vgl. http://www.falter.at/falter/2006/09/19/
von-achammer-bis-zimmermann , Artikel vom 19. 9. 2006 , Nina Horaczek ). Für zahlreiche Beispiele
von Postenvergaben an Korporierte unter ‚Blau-Schwarz‘ bzw. ‚Schwarz-Orange‘ vgl. Glitter 2009.
207 Als bezeichnend hierfür kann die Zusammensetzung von Mölzers Personenkomitee gelten. Dessen ers-
ter Teil wurde von ParteifunktionärInnen gebildet , von denen rund 40 Prozent als bereits außer Dienst
ausgewiesen wurden. Der überwiegende Teil der gelisteten Personen war zudem in der Kommunal politik
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619