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V.4 Programmatik und Policy-Ebene
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das Programm war im Erarbeitungsprozess viel Porzellan zerschlagen worden. Ideo-
logisch durchaus heterogene AkteurInnen stießen sich
– bezeichnend für den Moder-
nisierungs- und ( vermeintlichen ) Entideologisierungskurs unter Haider
– zum Teil an
denselben Traditionsbrüchen. Als zwei zentrale Punkte seien die Absage an den tradi-
tionellen Antiklerikalismus des ‚Dritten Lagers‘ sowie die Positionierung der FPÖ als
„die Österreich-Partei“248 genannt. Thomas Hofer nennt als wichtigste Opposition die
Wiener Landespartei , die durch das neue Programm offenkundig sowohl liberale als
auch nationale Überlieferungsstränge gekappt sah.249
Unter Heinz-Christian Strache kehrte die FPÖ wie schon in ihren Rekrutierungs-
gewohnheiten auch programmatisch in gewisser Weise zu ihren Wurzeln zurück. Das
2008 erstaufgelegte ‚Handbuch freiheitlicher Politik‘ enthält ein eigenes Unterkapitel zur
„deutsche( n ) Sprach- und Kulturgemeinschaft“.250 Auch in das 2011 beschlossene , aktu-
ell gültige Parteiprogramm fand jenes Bekenntnis zur „deutschen Volks- , Sprach- und
Kulturgemeinschaft“ Eingang , das völkische Kreise im Vorgängerprogramm ( in dieser
Diktion ) vermisst hatten.251 Die Federführung oblag diesmal dem Strache-Vertrauten
Norbert Hofer , der bereits das ‚Handbuch‘ verantwortet hatte. Anders als seine Vor-
gänger hatte Hofer nicht studiert und war auch keiner Verbindung beigetreten. Seine
späte Berufung zum Burschenschafter ( 2012 , vgl. Abschnitt V.1.1 ) und sein Bekenntnis
zur „Wichtigkeit der burschenschaftlichen Bewegung gerade in der heutigen Zeit“ im
völkischen Szene-Blatt Der Eckart 252 waren vor diesem Hintergrund vermutlich geeig-
net , seine Akzeptanz als Programmautor in völkischen Kreisen zu erhöhen. Angesichts
der offenkundigen Zugeständnisse an diese Kreise sah der Wiener FPÖ-Klubobmann
Johann Gudenus sich schon vor Beschlussfassung über das Programm veranlasst klar-
zustellen , dass die FPÖ sich „von keinen Vereinen unser Programm diktieren“ lasse.253
Diese Aussage ist insofern zutreffend , als zum einen etwa das Deutschtumsbekennt-
nis für die FPÖ durchaus keiner fremden Tradition entspringt und es zum anderen tat-
248 So Stadler im Vorfeld des Parteitages ( zit. n. Piringer 1998 , 88 ).
249 Vgl. Hofer 1998 , 236 sowie Mölzer 2001 , 135. Nicht weniger als 27 von insgesamt 66 Abänderungsan-
trägen zum Programmparteitag waren von den Wienern eingebracht worden ( vgl. Piringer 1998 , 88 ).
Mit am stärksten hatte sich Mölzer zufolge Rüdiger Stix ( der Sohn Gerulfs ) als Kritiker exponiert –
ein damaliger Bundesbruder des zentralen Programmverantwortlichen Stadler , was einmal mehr un-
terstreicht , dass ideologische Kontroversen bisweilen quer durch einzelne Bünde verlaufen konnten.
250 FPÖ 2008 , 165–167.
251 FPÖ 2011 , o.
S. Peham sieht vor diesem Hintergrund die Annahme , Deutschnationalismus sei innerhalb
der FPÖ zum ideologischen Steckenpferd einer „parteiinternen Subkultur“ ( Susanne Frölich-Steffen )
verkommen , als „spätestens seit 2005“ nicht mehr haltbar an ; vielmehr seien mit der damaligen Partei-
spaltung „völkische Positionen wieder hegemonial“ geworden ( Peham 2010 , 478 bzw. Frölich-Steffen ,
zit. ebd. ).
252 Paraphrasiert in Der Eckart vom Mai 2012 , 12.
253 http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wien/stadtleben/34326_Wiener-FPOe-Klub-besteht-zur-Ha-
elfte-aus-Burschenschaftern.html ( Artikel vom 5. 11. 2010 , ohne Autor/-in ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619