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V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ
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Korporierte als (Kern-)Wähler
„Die Berichte der Korporationen lassen vermuten , daß einige Abgeordnete , wie zum
Beispiel der ehemalige Bundesparteiobmann Friedrich Peter , seine Korporationsbesu-
che durchaus auch als Wahlwerbung verstanden hat [ sic ]“, meint Lindinger.368 Tatsäch-
lich war das völkische Verbindungswesen zurzeit von Peters Obmannschaft schon als
Elektorat ein nicht zu vernachlässigender , freilich aber auch nicht zu überschätzender
Faktor für die FPÖ. Während Peters Amtszeit erreichte die Partei bei Nationalrats-
wahlen zwischen 242.570 ( 1966 ) und 336.110 ( 1959 ) Stimmen.369 Selbst unter Einbezie-
hung der Ausstrahlung des Wahlverhaltens korporierter Patriarchen auf deren fami-
liäres Umfeld dürften die völkischen Verbindungen für kaum mehr als fünfzehn Prozent
davon verantwortlich gezeichnet haben. Das völkische Vereinswesen insgesamt jedoch ,
gruppiert um die Massenorganisationen Österreichischer Turnerbund ( ÖTB ) und Kärnt-
ner Heimatdienst ( KHD ) und geeint in denselben Kernforderungen an die Partei , war
für Letztere von vitaler Bedeutung. Die Bedeutung der Korporationen wurde zudem
durch den opinion leader-Status vieler ihrer Angehörigen
– Ärzte , Anwälte , Unterneh-
mer usw. – sowie durch ihre ( freilich keineswegs bedingungslose ) Verlässlichkeit und
hohe Mobilisierbarkeit aufgewertet. Das Monopol der FPÖ unter den Parlaments-
parteien in Sachen des Deutschtumsbekenntnisses band große Teile der im völkischen
Sinne ideologisierten Korporierten an die Partei , so sie bei Wahlen überhaupt zur Urne
schritten. Scheichl schätzt , dass in den 1960er-Jahren 90 Prozent der Burschenschaf-
ter die FPÖ wählten.370 Der in weiterer Folge sich vollziehende Mitgliederschwund
der Verbindungen , die zumindest tendenzielle Entideologisierung und/oder ideologi-
sche Mäßigung der völkischen Massenorganisationen und die unter Haider einsetzende
Erschließung neuer WählerInnenreservoirs für die FPÖ ließ die elektorale Bedeutung
der Korporationen über den Untersuchungszeitraum stark zurückgehen. Nur der vo-
rübergehende Absturz der Partei Anfang der 2000er-Jahre restaurierte ihren Einfluss
kurzfristig
– und verschaffte Andreas Mölzer prompt einen Sitz im Europaparlament.
Korporationen als Kaderschmieden
Die Kaderschmiede-Funktion der Verbindungen , konkret v. a. der Burschenschaften ,
wurde bereits in den Kapiteln III.3.3 ( unter dem Gesichtspunkt burschenschaftlicher
368 Lindinger 2009 , 71.
369 Vgl. zu den Wahlergebnissen http://www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/data/wahlergebnisse.pdf.
370 Interview vom 8. 6. 2012. Auch Wintersberger ortet eine klare FPÖ-Dominanz jedenfalls im damali-
gen burschenschaftlichen Wahlverhalten. Zwar hätten gerade die am weitesten rechts stehenden Bur-
schenschafter eine „kritische Distanz“ zur FPÖ unter Peter eingenommen , sie letztlich mangels Alter-
nativen aber wohl dennoch gewählt ( Interview vom 4. 1. 2012 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619