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V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ
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wirkte dahingehend nicht nur motivierend , sondern in gewisser Weise auch ermögli-
chend , lenkte sie doch die durch sie von gewissen Berufssparten faktisch Ausgeschlos-
senen in die freien akademischen Berufe. Das Freiberuflertum verlieh den Betroffenen
just jene relative ökonomische Unabhängigkeit und Sicherheit , aus der heraus politi-
sche Karrieren in einer dritten Partei in Angriff genommen werden konnten.372 Hierin
( und in der stark akademisch geprägten Tradition des Liberalismus und Deutschnati-
onalismus in Österreich ) liegt der über Jahrzehnte währende , erst unter Haider aufge-
brochene Charakter der FPÖ als ‚Honoratiorenpartei‘ begründet.
Die eben umrissene , spezifische Kombination von Eigenschaften der Korporierten
machte diese bereits ( und v. a. ) zu Beginn der Parteigeschichte für die FPÖ unverzicht-
bar – und brachte die Partei damit in Abhängigkeit von den Korporationen. Anläufe
freiheitlicher Parteichefs , sich von ihnen zu emanzipieren , stellten daher nicht zuletzt
darauf ab , alternative Rekrutierungswege zu etablieren.373 Peter förderte den RFS und
den Atterseekreis nicht zuletzt , um der Partei Nachwuchs mit neuen Ideen zuzuführen ,
auch wenn dieser Nachwuchs selbst zu einem Gutteil den Korporationen entstamm-
te.374 Die auf diesem Weg angestoßene Erneuerung blieb jedoch ohne nachhaltige
Wirkung. Nicht nur wurde die Liberalisierung der Partei in mehreren Etappen ( Hai-
der-Wahl 1986 , LiF-Abspaltung 1993 , mit Abstrichen : BZÖ-Abspaltung 2005 ) rück-
gängig gemacht bzw. umgekehrt , sondern auch der RFS bereits um 1980 wieder unter
völkisch-fundamentalistische Kontrolle gebracht , was den Liberalisierern den perso-
nellen Nachschub abschnitt. Auch Haiders Versuche , im Schoße der Partei selbst das
passende Personal für seinen ideologisch flexiblen Stimmenmaximierungs-Kurs her-
anzubilden , blieben im Ansatz stecken. Haider stärkte als Obmann die Arbeit der Par-
teiakademie ( 1972 gegründet als Freiheitliches Bildungswerk , 1994 umbenannt in Frei-
heitliche Akademie , heute FPÖ-Bildungsinstitut ) als alternative Ausbildungsstätte. 1989
wurde in ihrem Rahmen eine ‚Junge Akademie‘ eingerichtet , mit dem Ziel , „junge
372 Vgl. hierzu Peters positiven Vermerk über die Resistenz der Partei-‚Nationalen‘ gegenüber dem von
Großparteien-Seite „wegen ihres freiheitlichen Engagements“ auf sie ausgeübten „Druck“ ( Peter 1998 ,
142 ).
373 Ähnliche Vorgänge schildert Stimmer für die Erste Republik : Auch damals hätten die deutschnationa-
len Parteien versucht , eigene Jugendorganisationen als Kaderschmieden aufzubauen. Nichtsdestotrotz
seien sie in ihrer Personalrekrutierung auf „Elitengruppen mit hoher ideologischer ( … ) Geschlossen-
heit , bei gleichzeitig ausgeprägter parteipolitischer Distanz“
– wie eben die völkischen Verbindungen
–
angewiesen geblieben ( Stimmer 1997 , Band II , 654 ). Stimmer erklärt diesen Umstand mit dem Erfor-
dernis , zur Legitimation des eigenen Vertretungsanspruchs für das gesamte deutsch-völkische Lager
Repräsentanten verschiedener stakeholder zu integrieren ( vgl. ebd. ). Analog dazu lässt sich vermuten –
und die Erfahrung der Haider-Ära legt es nahe
– , dass auch die traditionellen Kernschichten der FPÖ
sich von dieser nicht mehr repräsentiert fühlten , würde sie auf korporierte Kader verzichten. Allerdings
scheint der ( elektorale ) Rückhalt dieser Kernschichten für die Partei heute verzichtbarer als die Kader
selbst.
374 Vgl. Peter 1998 , 143 f.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619