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VI.2 Zur burschenschaftlichen Politikfähigkeit
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läufe , eine entsprechende parteiförmige Alternative zur FPÖ zu etablieren. Offenbar
fand ein derart ausgeprägter Rigorismus nur in einem kleineren Teil der ‚freiheitlichen‘
Gesinnungsgemeinschaft Anklang.41
Für deren harten völkischen Kern ist festzuhalten , dass es Unternehmungen wie der
NDP Norbert Burgers oder der NFA Otto Scrinzis zwar nicht gelang , etwa die Regie-
rungsbeteiligung ab 1983 zu verhindern bzw. unmittelbar zu beenden. Wohl aber waren
sie effektiv , wenn es darum ging , den von den Parteiführungen Peter und Steger ge-
wählten Kurs der konstruktiven Zusammenarbeit mit anderen politischen Kräften zu
hintertreiben bzw. für die handelnden Personen möglichst schwer gangbar zu gestalten.
Durchaus über den völkischen Kern hinaus verbreitet war im ‚Dritten Lager‘ die grund-
sätzliche Präferenz für ein Oppositionsdasein , was den eine Regierungsbeteiligung an-
strebenden Friedrich Peter zu umfangreichen Bemühungen veranlasste , die „Paktfähig-
keit“ und Kooperationsbereitschaft seiner Partei nach außen hin zu demonstrieren.42
Frischenschlager attestiert der FPÖ ein chronisches „Regierungs-Oppositionsproblem“.
Als er und andere die Partei 1983 erstmals in die Bundesregierung führten , hätten sie
erkennen müssen , „dass sehr viele Anhänger des Dritten Lagers oder der FPÖ doch
noch nicht so weit waren“. Der Widerstand , der sich gegen den Regierungseintritt ge-
richtet habe , habe sich 2000 beim nächsten Anlauf wiederholt.43
In Rückschau auf die erste Regierung der Zweiten Republik mit blauer Beteiligung
musste deren Vizekanzler Norbert Steger konstatieren , dass vor dem Hintergrund der
jahrzehntelangen Oppositionsrolle der FPÖ „( d )as Wesen des Regierungskompromis-
ses ( … ) den Funktionären fremd“ sei44 – und benannte damit die vermutlich größte
Hürde für freiheitliche Regierungseintritte in jüngerer Zeit. Die in der Partei schon un-
ter den äußerst regierungswilligen Obmännern Peter und Steger weitverbreitete Reser-
viertheit gegenüber der Übernahme von Regierungsverantwortung wurde unter Haider
noch weiter gefördert. Der seine Selbstinszenierung charakterisierende rebellische Ges-
tus , seine Agitation gegen die ‚Alt‘- oder ‚Systemparteien‘ , der von ihm eingeschlagene
Kurs der ‚Anti-Politik‘- und ‚Anti-Establishment‘-Partei45 , die Erfahrung der Beein-
flussbarkeit von Regierungshandeln auch aus der Opposition heraus und die im Zuge
41 Vgl. dazu auch die Reaktion Günther Berkas auf Stübers oben zitierten Leserbrief , in dem der Repräsen-
tant des burschenschaftlichen Mainstreams in Österreich den VdU gegen Stübers Kritik ( und insbeson-
dere gegen den Vorwurf des um jeden Preis Regieren-Wollens ) in Schutz nimmt und betont , dass sehr
wohl viele konsequente ‚Nationale‘ zum VdU stünden , „darunter Burschenschafter und andere Waffen-
studenten , die die Gründung einer von vornherein zu politischer Bedeutungslosigkeit verurteilten Split-
tergruppe für ein nationales Unglück halten.“ ( Burschenschaftliche Blätter Nr. 5 / 1954 , 154 )
42 Peter 1998 , 148 ; vgl. auch 152.
43 Interview vom 11. 12. 2009.
44 Steger 1991 , 69.
45 Vgl. hierzu und zur daraus sich ergebenden Inkompatibilität mit Regierungsanforderungen Heinisch
2003 und 2004 ( hier : 257–259 ), Geden 2006 sowie Luther 2001 , 2003 und 2009.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619