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Kirche und Habitus im »Christlichen
Ständestaat«214
von den eigenen Eltern zum Abfall aufgefordert und bearbeitet. Bis jetzt ist dieselbe jedoch
noch der Kirche treu geblieben troz [sic !] aller Schikanen der eigenen Eltern.385
Die Zeugen Jehovas waren in ganz Kärnten verbreitet, da sie nicht nur in Berichten
aus dem Gurktal thematisiert werden, sondern auch in Ober- wie in Unterkärnten.
So war die Osttirolerin »A. O., geboren in Winklern […], wohnhaft in Lienz, […]
eine fanatische Agitatorin der Bibelforscher, [und] war wiederholt in Winklern, um
dort Anhänger für die Bibelforscher zu gewinnen.«386
Ebenso sind in einem Bericht des Pfarrers von Pusarnitz Zeugen Jehovas ge-
nannt.387 Unweit davon ist in der Pfarre Lind im Drautal »H. K. […] zu den Bi-
belforschern apostasiert […]. Grund : Agitation und geldliche Unterstützung der
Bibelforscher.«388 Vom Genannten ist auch eine schriftliche Austrittserklärung, die
er an die Bezirkshauptmannschaft Spittal a. d. Drau sandte, erhalten geblieben :
Erkläre auf diesem [Weg] meinen endgiltigen [sic !] Austritt aus der römisch-katholischen
Kirche und lege zu diesem Zwecke meinen Geburts- u. Taufschein bei. Der Austritt erfolgt
ganz unbeeinflusst und über eigenem Wunsch. Er erfolgt auch nicht aus politischen Grün-
den ; sondern im Sinne der Heiligen Schrift, Offenbarung [handschriftlich rot unterstri-
chen, Anm. d. Verf.] 18, Vers 4 und Jeremia 51, Vers 45, wo es heisst : gehet aus ihr hinaus,
damit ihr nicht derselben Sünden und Plagen mitteilhaftig werdet.
Von der erfolgten Durchführung bitte ich, mich durch Aushändigung einer mit dem
Geburtsorte und den Geburtsdaten versehenen amtlichen Bescheinigung verständigen zu
wollen.389
In der Pfarre Damtschach (Dekanat Rosegg), so wird berichtet, habe der Pfarrer
in seinen Predigten »auf das Unsinnige der verschiedenen Sekten, besonders hier
der Bibelforscher, hingewiesen. Der Erfolg ist gut, die Bibelforscher werden in der
Pfarre überall hinausgeworfen oder verlacht.«390
Das dürfte nicht überall so gewesen ein. In Unterkärnten, genauer in Poggers-
dorf, dürfte sich überhaupt eine kontinuierliche »Bibelforscherbewegung« gebildet
haben, da der Pfarrer von »eifriger Tätigkeit der Bibelforscher im Vorjahr und zur
385 Gußger, B.: Abfallsbewegung Stadtpfarre Straßburg (31.07.1933).
386 Dörr, K.: Bericht über Austrittsbewegung Pfarre Winklern (20.08.1933).
387 »T. U. […] am 16.1.1935 ausgetreten. Sie wurde Bibelforscherin. […] J. U. […] fällt von der Kir-
che ab, ohne in eine andere Kirche einzutreten. Grund : Geheime Offenbarung 18. Bibelforscher.«
Schönhart, A.: Apostasie-Ausweis Pfarre Pusarnitz (06.01.1935).
388 Meierhofer, I.: Apostasien Pfarre Lind (14.02.1936).
389 Köck, H.: Austrittserklärung (14.01.1935).
390 Marašek, K.: Abfallsbewegung Pfarre Damtschach (ohne Datum).
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353