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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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17Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld onalstaats darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Agrargesellschaft seit der Verdichtung transnationaler und -kontinentaler Güter-, Finanz-, Menschen- und Wissenstransfers ab Mitte des 19. Jahrhunderts global verflochten war.69 Der Nationalsozialismus setzte der globalen, marktliberalen Agrargesellschaft unter britischer Hegemonie, die sich in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg ausgebildet und danach fortgesetzt hatte, die Alternative einer kontinentaleuropä- ischen, staatsgelenkten Agrargesellschaft unter Führung des Deutschen Reiches entgegen. Die Vision eines nationalsozialistischen „Agrar-Europas“ leitete etwa die 1942 erschienene Programmschrift Um die Nahrungsfreiheit Europas von Herbert Backe, Staatssekretär und späterer Minister für Ernährung und Landwirtschaft im Deutschen Reich : Die „Weltwirtschaft“ unter dem liberalistischen Regiment der „unsichtbaren Hand“ der Marktkräfte führe die bäuerliche Landwirtschaft gera- dewegs in den Untergang ; daher müsse die „sichtbare Hand“ der Staatsführung als Organ des „Volkswillens“ das „Bauerntum“ beschützen sowie dessen ökonomi- sches und „rassisches“ Leitungspotenzial zur Entfaltung bringen. Die angestrebte „Nahrungsfreiheit“ schien wegen beschränkter Ressourcen im Reichsgebiet allein in einem unter deutscher Führung stehenden „Großraum“ unter Einschluss der Agrarüberschussgebiete Ost- und Südosteuropas machbar.70 Bereits in den 1930er Jahren suchte Deutschland dieses Potenzial mittels Handelsverträgen auszuschöp- fen ; ab Kriegsbeginn sollte die Ausplünderung der besetzten und abhängigen Ge- biete die trotz jährlicher „Erzeugungsschlachten“ klaffenden Lücken füllen. Der Nationalsozialismus peilte  – trotz seiner agrarromantischen Rhetorik  – keine ‚anti- moderne‘ Wiederherstellung vorindustrieller Verhältnisse an ; er suchte seine Ant- wort auf die „Agrarfrage“ nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft einer alternativen Moderne jenseits des liberalistischen Agrarindividualismus und des sozialistischen Agrarkollektivismus. Den Fluchtpunkt bildete das Deutsche Reich als wirtschaftlich und militärisch schlagkräftige Industriegesellschaft im Gravi- tationszentrum des kontinentaleuropäischen „Großraums“ mit davon abhängigen Peripherien.71 Als tragendes Rückgrat der NS-„Volksgemeinschaft“ galt das im Reichsnährstand organisierte „Landvolk“ als agrarischer Kern einer entwickelten Industriegesellschaft. Der Gemeinschaftsentwurf des „deutschen Landvolkes“ ver- band  – wie jener der „Volksgemeinschaft“ insgesamt72  – ‚grobe‘ und ‚feine Unter- schiede‘ : Einerseits schloss er Juden, Slawen und andere „Gemeinschaftsfremde“ aus ; andererseits maß er die eingeschlossenen „Volksgenossen“ an der Fähigkeit, die nationale „Nahrungsfreiheit“ und „Rassereinheit“ zu gewährleisten. Die na- tionalsozialistische Agrargesellschaft als „(Land-)Volksgemeinschaft“ entfaltete  – trotz der Kluft zwischen Vision und Realität  – im Alltag erhebliche Wirkung. Die dauerhaften, gleichwohl veränderlichen Zusammenhänge, die eine (Ag- rar-)Gesellschaft ausbilden, sind Gegenstand handlungs- und systemtheoretischer
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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