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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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19Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld Bodenfruchtbarkeit der Landbewirtschaftung Grenzen setzt.84 Andererseits ist es Teil der Gesellschaft, die sich die Natur entsprechend menschlicher Bedürfnisse, vor allem dem Bedarf an quantitativ und qualitativ entsprechender Nahrung, im Zuge von „Kolonisierung“ aneignet.85 So gesehen erscheint ein Agrarsystem als auf verschiedenen Ebenen zu beobachtendes Hybrid naturaler und sozialer Elemente, deren wechselseitiger Zusammenhang eine  – dauerhafte, aber durchaus veränder- bare  – Grenze zu seiner Umwelt zieht. Historische Forschungen über Agrarsysteme verwenden sozialökonomische Modelle, vor allem in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, und sozialökologi- sche Modelle, vor allem in der Umweltgeschichte.86 Beide modellieren den Zu- sammenhang der Systemelemente in je eigener Weise : Sozialökonomische Mo- delle fokussieren häufig auf das Zusammenspiel der „Kräfte der Einseitigkeit“ (z. B. des Standortes), der „Kräfte der Vielseitigkeit“ (z. B. des Arbeitsausgleichs) und der „Kräfte der Wirtschaftsentwicklung“ (z. B. des Marktpreisgefüges).87 So- zialökologische Modelle rücken den Stoffwechsel („Metabolismus“), die Material- und Energieflüsse, zwischen Gesellschaft und Natur ins Zentrum.88 Dabei setzen die Modelle unterschiedliche anthropologische Grundannahmen : Im landwirt- schaftlichen Betriebssystem sucht ein rationaler „Unternehmer“ durch ‚optimale‘ Kombination der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital den Gewinn zu maximieren.89 Im Agrarökosystem sucht sich die menschliche „Population“ gleich tierischen und pflanzlichen Arten in Überlebensnischen einzurichten.90 Trotz al- ler Erkenntnismöglichkeiten stoßen beide Agrarsystem-Modelle dort an Grenzen, wo sie anthropologischen Engführungen unterliegen. Das landwirtschaftliche Be- triebssystem setzt Individuen, die in ‚rationaler‘ Weise den Gesetzen der Ökonomie folgen, voraus. Im Agrarökosystem scheinen Land bewirtschaftende Kollektive zur Anpassung an natürliche Gesetzmäßigkeiten gezwungen zu sein. Überspitzt ge- sagt, beide Modelle beschreiben Agrarsysteme ohne Akteure  – ohne gegenüber den Systemmechanismen denk- und handlungsmächtige Individuen und Kollektive.91 Die Probleme der Systemperspektive auf die Agrargesellschaft verlangen nach einer Lösung, die der Perspektive der wirtschaftenden Akteure, dem „Eigensinn“92 der agrarischen Alltagswelt, Rechnung trägt. Dabei geht es nicht um den Ersatz der Beobachter- durch die Teilnehmerperspektive, sondern um deren Verschrän- kung  – um Akteure in Agrarsystemen. Eine solche Perspektive eröffnet das von Jan Douwe van der Ploeg entwickelte Konzept des Landwirtschaftsstils,93 das die Eng- führung auf eine einzige Systemlogik überwindet ; vielmehr erweitert es den Blick auf die Vielfalt alltagsweltlicher Logik,94 etwa Spielarten der „moralischen Öko- nomie“95 bäuerlicher Gesellschaften. Wenn Landwirtschaft nicht in objektiven Gesetzen aufgeht, gilt keineswegs der Umkehrschluss, dass sie sich in subjektiver Beliebigkeit erschöpft. Jenseits des scheinbaren Dilemmas von Determinismus und
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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