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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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45Die Konstruktion des „Hoforganismus“ Die landwirtschaftliche Betriebszählung, die im Deutschen Reich am 17. Mai 1939 im Rahmen der Volkszählung durchgeführt wurde, begegnete in Niederdo- nau wie in anderen Reichsgauen einer immensen Vielfalt landwirtschaftlicher Nut- zungsweisen. Um darin Ordnung zu schaffen, trafen die amtlichen Statistiker eine voraussetzungs- und folgenreiche Unterscheidung zwischen Betrieben und Nicht- Betrieben : Als Betrieb galt eine Wirtschaftseinheit von mindestens einem halben Hektar ; darunter liegende Wirtschaftseinheiten galten als Kleinflächen. Nur ers- tere fanden Eingang in die Ergebnisse der Betriebszählung ; letztere blieben davon ausgeklammert. Die Statistiker betonten allerdings die „nicht zu unterschätzende soziale Bedeutung“ der oft für Wein- und Gartenbau sowie Tierhaltung49 genutz- ten Kleinflächen, die mit 16.356 Hektar zwar nur 0,7 Prozent der Gesamtfläche, mit 127.770 Stück aber immerhin 39,2 Prozent der Gesamtzahl der Wirtschafts- einheiten Niederdonaus ausmachten. Zusammen mit den eigentlichen Betrieben wurden sie als „Betriebe im weiteren Sinn“ bezeichnet. Die „Wirtschaftseinheit“ des Betriebes im engeren oder weiteren Sinn wurde entsprechend der Organis- mustheorie definiert : Im Unterschied zum Belegenheitsprinzip früherer Boden- nutzungserhebungen, das die Teilflächen eines Betriebs der jeweiligen Gemeinde zuordnete, orientierte sich die aktuelle Betriebszählung am Wirtschaftsprinzip, das die gesamte Betriebsfläche jener Gemeinde, von der aus die Bewirtschaftung er- folgte, zuzählte. Sinngemäß war für die Wirtschaftseinheit nicht das grundbücher- lich eingetragene Eigentum, sondern der tatsächlich genutzte Grundbesitz aus- schlaggebend. Folglich schlugen die Statistiker in der Regel verpachtete Flächen dem Betrieb des Pächters zu, während sie gepachtete Flächen vom Betrieb des Verpächters abzogen  – jedoch mit einer Ausnahme : Das Deputatland, das Land- arbeiter als Teil ihrer Entlohnung selbst bewirtschafteten, zählte zum Betrieb des Arbeitgebers.50 Die tabellarische, mit Kommentaren versehene Darstellung der Betriebszäh- lungsergebnisse folgte einer Gliederung, die von den naturalen zu den sozialen Ele- menten des Betriebssystems fortschritt : Nach Anzahl und Ausmaß der Betriebe wurden Bodennutzung und Viehhaltung dargestellt ; darauf folgten Darstellungen der Maschinenverwendung, der Besitz- und Deputatverhältnisse sowie schließlich des Betriebspersonals. Dabei tat sich ein Widerspruch auf : Die Organismus-Me- tapher hätte erfordert, die Wechselwirkung der Teile des Ganzen aufzuzeigen ; in der Darstellung wurden diese Teile jedoch voneinander getrennt, in eigene Tabel- len gegossen und gesondert kommentiert. Die amtlichen Statistiker versuchten, diesen Widerspruch durch die Konstruktion von Betriebstypen  – des Zwergbetrie- bes mit unter zwei Hektar Betriebsfläche, des kleinbäuerlichen Betriebes mit zwei bis unter fünf Hektar Betriebsfläche, des mittelbäuerlichen Betriebes mit fünf bis unter 20 Hektar Betriebsfläche, des großbäuerlichen Betriebes mit 20 bis unter
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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