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Konstruktion des „Hoforganismus“
In der Bodennutzung sticht die überragende Bedeutung, die der Ackerbau für die
Zwergbetriebe sowie die klein- und mittelbäuerlichen Betriebe hatte, ins Auge ;
auch die großbäuerlichen Betriebe beackerten noch etwa die Hälfte der Kulturflä-
che ; nur in den Großbetrieben trat der Ackerbau zurück. Auf den Äckern domi-
nierte das Getreide, vor allem in den mittel- und großbäuerlichen Betrieben. Die
Anteile der Hackfrüchte erreichten Spitzenwerte in den Zwerg- und Großbetrie-
ben
– in Ersteren in Gestalt der Kartoffel als Nahrungs- und Futtermittel im eige-
nen Haushalt und Betrieb, in Letzteren durch die Zuckerrübe als Marktfrucht. Der
Feldfutterbau nahm, abgesehen von den Zwergbetrieben, in allen Betrieben etwa
denselben Ackeranteil ein. Umgekehrt zum Ackeranteil nahmen die Anteile der
Wälder mit steigender Betriebsgröße zu und erreichten in den Großbetrieben –
die sich nun überwiegend als Forstbetriebe entpuppen
– etwa drei Viertel. Ebenso,
wenn auch nicht dermaßen rasant, wuchsen die Grünlandanteile mit der Betriebs-
größe. Die Weingärten waren zwar in allen Größenklassen vertreten, erreichten
aber anteilsmäßig ihr größtes Gewicht in den Zwergbetrieben – die vielfach reine
oder überwiegende Weinbauwirtschaften waren – und, mit einigem Abstand, in
den kleinbäuerlichen Betrieben.
Die Bodennutzung hing über wechselseitige Nährstofftransfers durch Futter-
pflanzen und Stalldünger eng mit dem Zug- und Nutzviehstand zusammen. Pferde
gehörten erst von den mittelbäuerlichen Betrieben aufwärts zur Standardausstat-
tung ; daher überstieg hier die Haferfläche die Ein-Hektar-Marke. In den kleine-
ren Betrieben leisteten Ochsen oder Kühe die Zugarbeit – sofern nicht, vor allem
in Zwergbetrieben, außerbetriebliche Gespannleistungen in Anspruch genommen
wurden. Der Ersatz von Zugvieh durch Kraftmaschinen wie etwa Traktoren kam
nur in den Großbetrieben zum Tragen, und auch hier nur in geringem Maß. Be-
trachten wir die Anteile von Zug- und Nutzrindern gemeinsam, wuchsen sie mit
den Anteilen der als Grünland oder für Feldfutter genutzten Fläche ; nur die Groß-
betriebe entzogen sich wegen des enormen Waldanteils diesem Trend. Die ausge-
weiteten Rinderbestände der mittel- und großbäuerlichen sowie der Großbetriebe
kamen über vermehrten Düngeranfall wiederum dem Ackerbau zugute. Schweine
wurden zwar in allen Größenklassen gehalten, nahmen jedoch in den Zwergbetrie-
ben – neben der hier auch wichtigen Ziegenhaltung – und den kleinbäuerlichen
Betrieben die größten Anteile am Viehstand ein ; dementsprechend traten die Kar-
toffel- und Gerstenfelder als Futterlieferanten anteilsmäßig hervor.
Bodennutzung und Viehstand erforderten über ihren permanenten oder sai-
sonalen Arbeitsaufwand entsprechende Zahlen ständiger und nichtständiger Ar-
beitskräfte ; umgekehrt prägten familiäre Versorgungsbedürfnisse Pflanzenbau und
Tierhaltung. Zunächst sticht der fast ausschließlich familienwirtschaftliche Cha-
rakter der Betriebe in den unteren drei Größenklassen ins Auge. Vor allem in den
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937