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im Fokus der Buchführung
Die vordergründige Pragmatik der Hofkartenstatistik stand in engem Zusam-
menhang mit einer grundsätzlichen Hintergrundannahme, so Kahler : „Jede ein-
zelne Massnahme muss jedoch immer auf die organische Einheit des landwirt-
schaftlichen Betriebes ausgerichtet sein, der in der heutigen Wirtschaftsordnung
jenes Grundelement ist, durch den sich allein eine Leistungssteigerung auf die
Dauer verwirklichen lässt.“89 Dabei verwarf der Abteilungsleiter in der Landes-
bauernschaft Donauland bisherige Kategorisierungsversuche, wie etwa „Landbau-
zonen“,90 und entwarf aus Versatzstücken der agronomischen Organismustheorie
des landwirtschaftlichen Betriebes der 1920er und 1930er Jahre eine für die „Wirt-
schaftslenkung“ praxistaugliche Lesart :
„Die jeweilige Art und Weise der Landbewirtschaftung, die Betriebsform oder das
Wirtschaftssystem ist das Ergebnis einerseits der naturgesetzlichen Gegebenheiten
von Boden und Klima, der Lebensbedingungen der Pflanzen und Tiere, anderer-
seits des Bedarfes und Wollens des wirtschaftenden Menschen, seiner Wirtschafts-,
Rechts- und Eigentumsverhältnisse, seiner Volks- und Stammeseigentümlichkeiten,
seines geschichtlich bedingten Kulturzustandes, des Entwicklungszustandes seiner
technischen Kenntnisse und Fähigkeiten. Die Betriebsform ist so das Resultat des
Zusammenwirkens ausserordentlich mannigfaltiger, sie gestaltender Einflüsse, die
in gegenseitiger Abhängigkeit und Auswirkung teils selbst bedingt, teils bedingend
wirksam sind. Alle diese die Betriebsform bestimmenden Einflüsse wirken immer
gebietsweise, räumlich gebunden, von individuellen Besonderheiten abgesehen, die
für einen allgemeinen Überblick und die Aufgaben der landwirtschaftlichen Verwal-
tung belanglos sind. Daher gestalten Betriebsformen bestimmte Wirtschaftsgebiete,
die auch kartographisch darstellbar sind.“91
Diese Lehrbuchdefinition lässt das Kräfteverhältnis zwischen den „naturgesetzli-
chen Gegebenheiten“ und dem menschlichen „Bedarf und Wollen“, von Ökologie
und Ökonomie, zwar anfangs noch unbestimmt ; letztlich wird jedoch dem Ökolo-
gismus Vorrang vor dem Ökonomismus eingeräumt :
„Die Untersuchung der Betriebsformen und der sie bestimmenden Faktoren im Ge-
biete der Landesbauernschaft Donauland hat gezeigt, dass es innerhalb dieses Rah-
mens vor allem die natürlichen Produktionsbedingungen, von diesen in erster Li-
nie die Klimastufen, in weiterer Hinsicht der Boden, jedenfalls aber das aus beiden
resultierende Pflanzenwachstum ist, das die Betriebsformen und Wirtschaftsgebiete
am ausschlaggebendsten bestimmt haben und dass demgegenüber die von Seite des
Menschen wirkenden Einflüsse zurücktreten und nur gewisse Untergebiete geschaf-
fen haben.“92
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937