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127Im
Raum der Gutswirtschaft
genutzt. Neben zwei weiblichen Familienangehörigen, darunter vermutlich die
Ehefrau, waren ein Aufseher, zwei Gutshandwerker, je zwei Melker und Melke-
rinnen, sieben Knechte und neun Mägde ständig beschäftigt. Tag- und saisonweise
arbeiteten auf dem Gut zudem zehn männliche und 25 weibliche nichtständige
Arbeitskräfte im Jahresausmaß von 5.600 Arbeitstagen – ein in Relation zu den
ständigen Arbeitskräften überdurchschnittlicher Wert. Ständige und nichtständige
Arbeitskräfte ergaben ein Arbeitspotenzial von 46,8 AKE, das, umgelegt auf die
Nutzfläche, einer im regionalen Vergleich mittleren Arbeitsintensität von 0,1 AKE
pro Hektar entsprach. In den gutseigenen Stallungen fanden sich 20 Pferde, 74
Rinder, darunter acht Ochsen, 35 Schlacht- und Maststiere und 20 Milchkühe, 20
Schweine, davon acht Mastschweine, sowie vier Dutzend Hühner und Gänse. Das
ergab zusammen 99,3 GVE oder 0,3 GVE pro Hektar, eine unterdurchschnittliche
Viehintensität. Dafür erreichten die Maschinenneuwerte mit 68.320 Reichsmark
oder 210 Reichsmark pro Hektar absolute und relative Spitzenwerte. An Kraftma-
schinen, zwei Drittel des Gesamtwertes, hatte der Gutsbesitzer je zwei eisen- und
gummibereifte Schlepper, zwei Elektromotoren und zwei Lastkraftwagen ange-
schafft. Die Arbeitsmaschinen, das restliche Drittel, umfassten fünf gummibereifte
Ackerwägen, eine Dreschmaschine, drei Drillmaschinen, drei Düngerstreuer, fünf
Hackmaschinen, einen Grasmäher, einen Heuwender, einen Silohäcksler für den
errichteten Gärfutterbehälter, zwei Zapfwellenbindemäher, ein Heugebläse, ei-
nen Greifer, zwei Strohpressen, einen Saatgutbeizer, einen Kartoffelroder, einen
Futterdämpfer, eine Schrotmühle, einen Elektroherd und eine Waschmaschine.
An Marktleistungen verzeichnete das Gut, neben der unbekannten Milch- und
Schlachtviehmenge, 1.845 Doppelzentner Getreide, vorwiegend Hafer und Wei-
zen, 209 Doppelzentner Heu und 80 Doppelzentner Stroh.188
Der Gang durch den Raum des gutsbetrieblichen Wirtschaftens endet bei den
Getreide-Milchviehgütern. Neben den ausgedehnten Beständen an Milchkühen, ty-
pischerweise zwischen 100 und 200 Stück, waren hier folgende Merkmalsausprä-
gungen bezeichnend : Acker-Weinbau- und Getreidewirtschaften, Betriebsgrößen
unter 200 Hektar, überdurchschnittliche Taglöhneranteile, hohe Arbeits- und Vieh-
intensität, starker Brotgetreide- und Kartoffelbau, große Pferdebestände, Stierhal-
tung sowie große Bestände an Verbrennungsmotoren, gummibereiften Ackerwä-
gen, Drillmaschinen, Strohpressen und Melkmaschinen. Das Gut Schloßhof der
Stadt Wien in Markthof vereinte die meisten dieser Kennzeichen ; nur hinsichtlich
des Flächenausmaßes von 816,4 Hektar überragte es die übrigen Getreide-Milch-
viehgüter. Zum Gutsbesitz gehörten 590,6 Hektar Ackerland, 0,9 Hektar Gärten
und Obstanlagen, 91,3 Hektar einmähdige Wiesen und 133,5 Hektar Wald. Et-
was mehr als die Hälfte des Ackers war dem Getreide – vor allem Weizen und
Gerste, aber auch Roggen und etwas Hafer
– gewidmet ; knapp ein Viertel nahmen
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937