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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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135Durchleuchtete Höfe der durch Erbteilung und zwangsweisen, notgedrungenen Abverkauf der Äcker auf ein heute nur bei Nebenverdienst lebensfähiges Ausmaß zusammenschmolz“208) oder Aufstieg („fleißige, bescheidene Familie, ehemalige landwirtschaftliche Dienstboten, die sich durch Fleiß und Sparsamkeit den Hof erworben haben“209), jahrelanger Konsumverzicht („sparsame und fleißige Bergbauern, die ihren Hof schuldenfrei erhalten haben“210) oder eine kurz zurückliegende Betriebsübernahme („Der Betrieb arbeitet unter schwierigen Erzeugungsbedingungen, doch ist er vom sparsamen Besitzer, der ihn erst vor kurzer Zeit übernahm, gut und in Ordnung geführt.“211). Vor allem für Zwerg- und kleinbäuerliche Betriebe, wie etwa eine Zwei-Hektar-Grünlandwirtschaft in Hirschenschlag im AGB Litschau, erschien der landwirtschaftliche oder gewerbliche Nebenerwerb als fixer Teil der bäuerli- chen Existenz : „Fleißige, bescheiden lebende Kleinhäusler. Tochter ist hier Stri- ckerin. Vater fallweise als Taglöhner in der Landwirtschaft tätig.“212 Dabei stellte sich häufig das Problem, die unklare Grenze zwischen „bäuerlich“ und „nichtbäu- erlich“ zu bestimmen ; denn Zwergbetriebe unter einem halben Hektar waren von Amts wegen nicht zur Entschuldung vorgesehen.213 Sachbearbeiter, die in derarti- gen Grenzfällen für die Durchführung der Entschuldung plädierten, mussten ihr Urteil entsprechend begründen, wie etwa für eine Sechs-Hektar-Futterwirtschaft in Eggern im AGB Litschau : „Die arme Wirtschaft bildet die Existenzgrundlage der kinderreichen Familie, ist aber mit ihren dürftigen Erträgen ungenügend zur Erhaltung der Familie. Deswegen muss der Mann als Taglöhner Geld zuarbeiten. Die Familie ist als bäuerlich zu betrachten.“214 So gesehen, erscheint die Betriebs- besichtigung im Rahmen der Entschuldungsaktion als Machtdispositiv des herr- schenden Agrardiskurses : Indem die Gutachten der Sachbearbeiter die abstrakten Grenzen ‚der Landwirtschaft‘ am jeweiligen Fall konkretisierten, konstruierten sie den zu beurteilenden Gegenstand  – den Hof als gegenüber seiner Umwelt abge- grenzten Organismus  – mit. Die dem Landwirtschaftsstil der bäuerlichen Zähigkeit entsprechenden Höfe häuften sich in der Voralpenregion Kirchberg an der Pielach sowie in der Flach- und Hügellandregion Matzen. Diese Häufungen hingen mit für diesen Stil charak- teristischen Betriebstypen  – Grünlandwirtschaft einerseits, Hackfrucht-Weinbau- und Weinbauwirtschaft andererseits  – zusammen. Was diese unterschiedlichen Agrarsysteme einte, war die überdurchschnittliche Empfindlichkeit gegenüber Kli- maeinflüssen. Sowohl in der alpinen Acker- und Wiesenbewirtschaftung, als auch im pannonischen Weinbau musste bei Unwettern mit weitgehenden bis vollstän- digen Ernteausfällen gerechnet werden. Die von den Sachbearbeitern festgestellte Zähigkeit der Betriebsinhaber/-innen speiste sich wohl auch aus der jahre- und jahrzehntelangen Erfahrung im Umgang mit witterungsbedingten Schäden.215 Es handelte sich häufig um klein- und mittelbäuerliche Betriebe zwischen zwei
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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