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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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137Durchleuchtete Höfe kollen mit wechselnden Gesichtern auf : Einerseits wurde ihm ein Aktivitätsdefizit in Form von Unfähigkeit  – „unbeholfen“, „schwerfällig“ und „antriebslos“  – oder Unwille  – „bequem“ und „nachlässig“  – angekreidet. Andererseits bestand sein Fehler in einem Aktivitätsüberschuss, der als „spekulativ“ charakterisiert wurde. Folglich forderten die Sachbearbeiter in all diesen Fällen häufig die „Betreu- ung“  – die strenge Überwachung, Anleitung und, nötigenfalls, Bestrafung  – der Betriebsleiter/-innen durch den Reichsnährstand. Nur selten fiel die Beurteilung dermaßen eindeutig und ablehnend aus wie im Fall einer 35-Hektar Futterwirt- schaft in Plankenstein : „Der Besitzer ist ein schlechter, nachlässiger Wirtschafter. Die Wirtschaft ist ver- nachlässigt, das Vieh ungepflegt und schlecht genährt. Die Wohnung ist schmutzig und verwahrlost, gebrochene Fensterscheiben sind nicht ersetzt. Die Scheunen- und Schuppentore lehnen an der Wand, da die Angeln abgerostet sind. Schäden, welche mit geringen Mitteln hätten behoben werden können, wurden wegen der Faulheit und Schlamperei des Besitzers vernachlässigt. Der Besitzer hat durch dauernd hohe Schlägerungen den Bestand der Wirtschaft gefährdet. 1940/41 hat er 250 [Fest-] Meter Holz geschlagen und dafür RM 3.550 eingenommen, womit er einen Großteil seiner Schulden hätte bezahlen können. Stattdessen hat er seinen Neffen RM 1.700 geliehen, den Rest von RM 1.850 angeblich zur Schuldenzahlung verwendet. Da aber dem am 31.12.1938 angegebenen Schuldenstand von RM 5.336,39 ein derzeitiger Schuldenstand von RM 5.236,03 gegenüber steht, somit nur eine ganz geringfügige Schuldenverringerung eingetreten ist, bleibt die Verwendung der Restsumme völlig ungeklärt. Aus obigen Gründen wird Ablehnung beantragt.“218 Die mangelnde „Entschuldungswürdigkeit“ des Betriebsinhabers gründete sich in den Augen des Sachbearbeiters auf zwei Defizite : die Nachlässigkeit im Umgang mit dem Vieh und den Gebäuden sowie die Böswilligkeit im Umgang mit den Schulden. Der Stein des Anstoßes, die Verweigerung von Tilgungs- und Zinsen- zahlungen unter dem Schutz des amtlichen Vollstreckungsschutzes während des Entschuldungsverfahrens,219 zog in diesem Fall auch an sich gesetzeskonforme Wirtschaftsstrategien bäuerlicher Hofbesitzer/-innen in Misskredit : die Wald- nutzung zur Bewältigung außergewöhnlicher Belastungen und das Verleihen von Geld unter Verwandten. Durch die Zuschreibung von Nachlässigkeit und Böswil- ligkeit konnte der Sachbearbeiter den ‚Entschuldungsunwürdigen‘  – in Differenz zur Norm der „Entschuldungswürdigkeit“  – identifizieren. Abgesehen von derartigen Ausnahmefällen fielen die Urteile der Sachbearbeiter über bäuerliches Fehlverhalten in der Regel weitaus mehrdeutiger und wohlwol- lender aus. Positiv verbucht wurde meist der Fleiß der Antragsteller/-innen ; auf
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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