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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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144 Anatomie eines „lebenden Organismus“ junge Bauer hat eingeheiratet, die Schulden übernommen und müht sich, die Wirt- schaft ertragreicher zu gestalten.“ 261 Neben der Intensivierung werteten die Sach- bearbeiter auch die Betriebsvergrößerung als beispielhaft : „eine sehr fleißige und fortschrittliche Familie, die das Bestreben hat, ihre Wirtschaft zu vergrößern“.262 Vielfach bot erst das Entschuldungs- und Aufbauverfahren die Möglichkeit, die angestrebte Betriebsvergrößerung umzusetzen ; in einem Fall argumentierte der Sachbearbeiter sogar, anstatt des bestehenden, zu kleinen Betriebes einen neuen, größeren Betrieb  – im Hinblick auf die Schaffung eines Erbhofes abseits der engen Dorfsiedlung  – unter Einsatz öffentlicher Mittel anzukaufen : „Eine rationelle Bewirtschaftung ist durch die kleine Hofstelle ganz unmöglich. Im Interesse der allgemeinen Ernährungslage ist die Förderung des äußerst tüchtigen und fortschrittlichen Bauern zur Erlangung eines Erbhofes bestens zu befürworten. Da Eigenmittel zur Vergrößerung der Hofstelle zu einem Erbhof nicht vorhanden, wird eine Reichsbeihilfe nach Art. IV (Neuansiedlung) bestens befürwortet (Dorfauf- lockerung !).“263 Doch die bäuerliche Mustergültigkeit hing im Urteil der Sachbearbeiter nicht nur von materiellen Umständen ab ; zudem hoben eine Reihe ideeller Eigenschaften die Ausgezeichneten vom Rest der Hofbesitzer/-innen ab. Dazu zählte etwa die fachliche Kompetenz : „tüchtiger, fortschrittlicher, in allen Zweigen der Land- wirtschaft gut unterrichteter Mann ; fleißige Bäuerin“.264 Vereinzelt finden sich Hinweise auf eine landwirtschaftliche Fachschulbildung : „allerbester Eindruck, Ackerbauschule Feldsberg, Ortshofberater“.265 Zur amtlich sanktionierten Fach- kompetenz zählten auch Tugenden wie die Rechenhaftigkeit : „vorzüglich wirt- schaftend, was in dieser Gegend [Eggern im AGB Litschau] selten ist, scharfer und guter Rechner, energisch, erbgesunder Nachwuchs, gut erzogen“.266 Auffallend häufig besetzten als mustergültig bewertete Hofbesitzer/-innen öffentliche Ämter, die der „Entschuldungswürdigkeit“ förderlich waren : „Die Würdigkeit der staatli- chen Unterstützung ist in jeder Beziehung gegeben, da Antragsteller Ortsbauern- führer ist und beispielgebend wirtschaftet.“267 Zu den ideellen Eigenschaften, die den Sachbearbeitern berichtenswert erscheinen, zählten schließlich vermeintliche Einstellungen, die dem Bauern als „Ernährer und Blutsquell des Volkes“ im offi- ziellen Diskurs zugeschrieben wurden. Eine dieser als genuin bäuerlich erachte- ten Vorstellungen war die „Hofbindung“, die Familien und Höfe oder, ideologisch gesprochen, „Blut und Boden“ aneinander kettete : „Es handelt sich hier um eine gut wirtschaftende, brave Familie, die mit großer Liebe an ihrem Besitz hängt.“268 Jenseits des ideologischen Nebels, den diese Vorstellung umwehte, offenbart der Vermerk im Besichtigungsprotokoll zugleich ein Moment familienwirtschaftlicher
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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