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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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152 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe folge auch das „Tschechen-“ und „Slowakentum“ Fuß fassten. Die „Entdeutschung dieses Grenzgürtels“ im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert sei nicht nur direkt  – durch die Aneignung von Großgrund- und Bauernbesitz durch den hinterhältigen, finanzkräftigen „Juden“  –, sondern auch indirekt  – durch den jüdisch-liberalistischen „Rentabilitätsstandpunkt“, der in der Agrarkrise seinen Ausdruck gefunden habe  – vorangetrieben worden. Gestützt auf eine „wissen- schaftliche Bestandsaufnahme“ der Landbesitzverhältnisse im „Grenzland“ durch eine Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Studentenschaft 19383 konnte der „völ- kische Bodenverlust“ an der Gemeinde Untersiebenbrunn, der „gefährdetsten Marchfeldgemeinde“, sogar mit Zahlen belegt werden (Abbildung 3.1, Anhang) : Von 41 1860 bestehenden Bauernhöfen seien bereits 17 „gelegt“ worden ; nur noch 14 würden von „Deutschen“, acht von „Tschechen“ und einer von „Juden“ bewirt- schaftet. Da Gemeinde und Kirche ihre Gründe verpachteten, nutzten „Deutsche“ 800 Hektar oder 38 Prozent, „Tschechen“ 666 Hektar oder 33 Prozent und „Juden“ 610 Hektar oder 29 Prozent der Dorfflur.4 Doch was mit der Überwältigung des „deutschen Bauern“ durch dunkle Mächte beginnt, endet mit einem Triumph : Bauernbesitz gewinnt Volkstums- kampf. Das positive Szenario, eine „klare, bewußte Bodenpolitik im Kampfe für das Volkstum“, stehe nun auch in der Ostmark vor dem Durchbruch : „Für den Schutz des deutschen Volkstums genügen nicht allein Kanonen und Stahlpanzer, sondern dafür brauchen wir strotzendes, wachsendes Leben, das immer wieder in einem gesunden und auf seinem Grund und Boden seßhaften Bauerntum beruht.“ Das Beispiel des Marchfeldes zeige, „wie sich gerade die Bildung von Großgrundbesitz auf die bevölkerungspolitische Entwicklung eines Volkes aus- wirken kann“.5 Im proklamierten Leitmotiv  – „nur der besitzt den Boden, der ihn wirklich bebaut“  – tritt das Doppelgesicht der nationalsozialistischen Boden- ordnung offen zutage : die Inklusion, die Förderung der „deutschen Bauern“ auf Höfen mittlerer Größe, wie die Exklusion, die Ausmerzung des „volksfremden“ Großgrundbesitzes. Die (Wieder-)Vereinigung von „Blut“ und „Boden“ durch die ein- und ausschließende Hand des Staates erscheint denk- und machbar  – im Marchfeld wie anderswo. Nicht nur im akademischen Nachwuchs, sondern auch in Teilen der kulturellen Funktionselite Niederdonaus bildete „Blut und Boden“ ein Leitmotiv intellektu- ellen Denkens und Handelns. Günther Schlesinger, bekennender Rassenantisemit und seit 1923  – unterbrochen durch kurzzeitige Zwangspensionierung 1938  – Lei- ter der niederösterreichischen Landessammlungen,6 trat im traditionsreichen Jahr- buch für Landeskunde von Niederösterreich mit der folgenden pseudowissenschaftli- chen Rechtfertigung einer „rassisch“ selektiven Bodenpolitik hervor :
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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