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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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166 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe und Großbetriebe  – erstere wegen betriebswirtschaftlicher, letztere wegen bevöl- kerungspolitischer Vorbehalte  – aus dem Geltungsbereich des REG ausgeschlos- sen. Den ersten beiden Prinzipien der „rassischen“ und betriebsgrößenabhängigen Auslese folgte auch das Gesetz zur „Neubildung deutschen Bauerntums“ von 1933, das im „Lande Österreich“ im Februar 1939 in Kraft trat.82 Die beiden Gesetze ergänzten einander, indem der „Bauer“, den das REG zu schützen trachtete, durch Ansiedlung von „Neubauern“ geschaffen werden sollte.83 Das dritte Prinzip, die Auslese nach dem Geschlecht, deutet der Begriff „Bauer“  – in Abgrenzung zum „Landwirt“, dessen Besitz der Erbhofstatus fehlte  – an ; eine „Bäuerin“ kannte der Gesetzestext nicht. Vollends klar wird der „Vorzug des männlichen Geschlechts“ in der „Anerbenordnung“ ; danach lautete die Rangreihe der erbberechtigten Nach- kommen eines Erblassers : erstens die Söhne, deren Söhne oder Enkel, zweitens der Vater, drittens die Brüder, deren Söhne oder Enkel, viertens die Töchter, deren Söhne oder Enkel, fünftens die Schwestern, deren Söhne oder Enkel, sechstens sonstige weibliche Nachkommen.84 Die Logik des REG folgte nicht nur dem groben Unterschied der Rassenzu- gehörigkeit, der die Grenze zwischen inklusiver und exklusiver Bodenpolitik zog ; sie enthielt auch feinere Unterschiede der Besitzklasse und des Geschlechts : Die Gesamtheit der aufgrund ihrer „Deutschblütigkeit“ in den gesetzlichen Geltungs- bereich Eingeschlossenen wurde in sich wiederum gespalten durch den Ein- oder Ausschluss der Einzelnen nach klassen- und geschlechterbezogenen Merkmalen. Dieses abgestufte Ausleseverfahren in die Praxis umzusetzen, war Aufgabe der mit dem Vollzug des REG betrauten Anerbenbehörden : des Anerbengerichts (AEG) beim Amtsgericht als erster Instanz,85 des Erbhofgerichts beim Oberlandesge- richt als zweiter Instanz und des Reichserbhofgerichts in Berlin als dritter Instanz. Neben den Berufsrichtern sah das Gesetz für Anerben- und Erbhofgerichte je- weils zwei vom Reichsnährstand vorgeschlagene „Bauern“ als Laienrichter vor.86 Darüber hinaus besaß der Reichsnährstand für bestimmte Verfahren die Rechte der Antragstellung und Stellungnahme. Die Anerbenbehörden verfügten über beträchtliche Ermessensspielräume, weil das REG manche Bereiche, etwa „Ehr- barkeit“ und „Wirtschaftsfähigkeit“ als Voraussetzungen der „Bauernfähigkeit“, nicht näher definierte sowie beim Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ Ausnah- men von den gesetzlichen Regelungen gestattete. Die Gerichte besaßen weitrei- chende Eingriffsmöglichkeiten in die bäuerlichen Besitzrechte, die in der Erbhof- rechts- und Erbhofverfahrensordnung von 1936 präzisiert wurden ; so konnten sie im Fall mangelnder „Bauernfähigkeit“ die „Wirtschaftsüberwachung“ durch einen „Vertrauensmann“, die Einsetzung eines treuhändischen Verwalters, die befristete oder unbefristete „Entziehung der Verwaltung und Nutznießung“ („kleine Abmei- erung“) sowie, als schwerwiegendste Sanktion, die „Entziehung des Eigentums am
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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