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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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171Regulative der Ent- und Verwurzelung Vorteil bedacht.101 Um diese Widersprüche aufzulösen, sollten Ehegattenerbhöfe mit Anschreibung beider Ehepartner im Grundbuch ermöglicht werden ; zudem sollte der einheiratende Ehegatte unter Berücksichtigung der Sippenzugehörig- keit bei der weiteren Erbfolge zum Anerben erklärt werden können ; schließlich sollten Erbverträge unter Nichtehegatten gestattet werden, um zukünftigen Hof- nachfolgern eine Sicherheit zu bieten. Der zweite Vorschlag betraf das Erbrecht, vor allem die Zurücksetzung der Töchter eines Erblassers gegenüber dessen Vater und Brüdern  – eine Bestimmung, bei der „der Widerstand der Bauernschaft in der Ostmark am stärksten“ gewesen sei. Daher sollten die Töchter in der Anerbenord- nung von der vierten auf die zweite Stelle  – gleich nach den Söhnen  – vorrücken.102 Diese Reformvorschläge glichen jener Denkschrift, die das Amt für Agrarpoli- tik der NSDAP-Gauleitung Niederdonau in Zusammenarbeit mit der Landesbau- ernschaft Donauland bereits im November 1940 an den Stellvertreter des Führers gerichtet hatte103  – ein Hinweis auf die Allein- oder Mitautorenschaft Spatschils. Diese Denkschrift zeigte jedoch, wie ähnlich lautende Eingaben von anderer Seite, zunächst wenig Wirkung. Erst die Ablösung Richard W. Darrés durch Herbert Backe an der Spitze des REM 1942 brachte Bewegung in die Angelegenheit. Die vermehrten Todesfälle von zur Wehrmacht eingezogenen „Bauern“ verstärkten die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Probleme der ungenügenden Rechtsstellung der eingeheirateten Ehegatten sowie die Zurückreihung der Frauen und Töchter in der Erbfolge. Dies schien die politische Stimmung der bäuerlichen „Frontsol- daten“ ebenso wie jene der mit Arbeit überlasteten Ehefrauen und Töchter an der „Heimatfront“  – und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Erbhöfe  – zu gefährden. Nun gab das bislang auf dem Status quo beharrende REM den Reform- bestrebungen des Justiz- und Innenministeriums sowie des Oberkommandos der Wehrmacht nach. Die Erbhoffortbildungsverordnung 1943 verbesserte die Rechts- stellung der einheiratenden Ehegatten, indem diese zu Anerben bestimmt werden konnten und in den Gegenden, wo die Gütergemeinschaft gepflogen worden war, „sippengebundene Ehegattenerbhöfe“ erreichtet werden konnten. Auch die Stellung der Töchter in der Erbfolge wurde „bis auf weiteres“ verbessert, indem sie vor den Vater und die Brüder des Erblassers rückten. Damit war die Benachteiligung der weiblichen Familienangehörigen zwar nicht beseitigt, doch unter dem Druck, die Rechtsgrundsätze den durch den Krieg veränderten Gegebenheiten pragmatisch an- zupassen, gemildert.104 Zwar rüttelte die Erbhoffortbildungsverordnung nicht am Kern des REG ;105 doch erscheint sie als vorläufiger Endpunkt einer gewissen Ent- radikalisierung der inklusiven Bodenpolitik, die mit der gemilderten, übermäßige Härten vermeidenden Strategie der Behörden im Zuge des Anlegungsverfahrens der Erbhöferolle ihren Anfang genommen hatte. Gehen wir von ökonomischen Funkti- onen, politischen Interessen und kulturellen Orientierungen als den bestimmenden
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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