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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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183Das Doppelgesicht der Bodenordnung Richard W. Darrés im REM, herausgegebenen Zeitschrift Deutsche Agrarpolitik nahm er dazu Stellung : „Als die einmaligen Erfolge unserer Wehrmacht im Osten die für das deutsche Land- volk geltende Tatsache ‚Volk ohne Raum‘ schicksalshaft in sein Gegenteil verkehrten, tauchte der Begriff ‚Bauern auf kargen Böden‘ auf. Damit war ein Großteil unserer Bergbauern, im engeren und weiteren Sinne Bauern und Landvolk mit ungenügender Besitzgröße und Bauern auf nährstoffarmen Böden sowie in verkehrsentlegenen und kli- matisch nicht begünstigten Gebieten [Hervorhebungen im Original] gemeint, die nun für die Besiedlung und Bewirtschaftung der meist guten Böden im Osten in Frage kommen sollten. Es wurde von berufener und unberufener Seite in berechtigter und unberechtigter Form die Forderung herausgestellt, die Gesundung weiter Teile un- seres Landvolks durch Herausnahme und Neuansiedlung von Teilen desselben im Osten in großzügiger Form in die Wege zu leiten. Als ein schier unerschöpfliches Reservoir für diesen Menschenstrom sah und sieht man ‚Bauern auf kargen Böden‘ an, wobei karge Böden als Land für zu gründende Forste und Waldgürtel gedacht ist.“146 Der Autor ließ keinen Zweifel an seiner Ablehnung dieser Forderung offen. Nicht der „Bauer auf kargen Böden“, der „nach wie vor den besten Blutspender der Na- tion und somit ein nationales Heiligtum und einen nicht unbeachtlichen Wirt- schaftsfaktor“ darstelle, sondern überzählige Bauernsöhne und -töchter sowie die von Bombenangriffen geplagte Stadtbevölkerung sollten die eroberten  – und zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels zum Teil bereits wieder verlorenen  – Ost- gebiete bevölkern. Begründet sei diese Gegenforderung durch die Leistungen der Bergbauern, „die jenen ihrer glücklicher gebetteten Berufskameraden gleichkommen, ja, sie in manchem übertreffen [Hervorhebung im Original]“ : einerseits die „biologische Leistung“, die in der Aufzucht „rassisch“ wertvoller Menschen bestehe, anderer- seits die wirtschaftliche Leistung auf dem Gebiet der Milchwirtschaft und der Erzeugung widerstandsfähigen Saatguts.147 Seit seiner Berufung zum Leiter der Unterabteilung „Bergland“ im REM 1940 hatte Reinthaller in ähnlichen Artikeln wiederholt den jenseits des Materiellen liegenden „ideellen“ Mehrwert des „Berg- bauerntums“ propagiert ;148 bereits damals wallte die Debatte über die Lösung der „Bergbauernfrage“ durch deren Umsiedlung in die fruchtbaren Ebenen im Osten auf.149 Ein Zusammenhang zwischen den ländlichen Neuordnungsplänen, die seit 1939 im Auftrag des Reichsernährungsministers und Reichsbauernführers flächen- deckend durchgeführt wurden, und den alarmistischen Artikeln zur Lösung der „Bergbauernfrage“ liegt auf der Hand. Als Antrieb für den publizistischen Vorstoß Reinthallers kann der seit 1942 drohende Machtverlust der Bergbauern-Lobby im Planungsapparat des „Dritten Reiches“ angenommen werden.
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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