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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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215Schollenbindung oder Parzellenhandel ? Zwischen den Zeilen war zu lesen, dass Juliane Hopfinger ihr letztes Vertrauen in Alois Hopfinger, der als einer der Pächter ihrer Gründe seit den 1920er Jahren seine Pflichten gegenüber der Verpächterin wiederholt vernachlässigt hatte, verlo- ren hatte ; sie befürchtete einen anhaltenden Streit um die ihr zustehenden Aus- gedingeleistungen, falls er den Hof erhalten würde.250 Das Erbhofgericht Wien und schließlich das Reichserbhofgericht wiesen die Beschwerden Alois Hopfingers zurück. Gegenüber dessen Ansprüchen wiege die Wiederansiedelung der auf staat- liche Anordnung hin entsiedelten Erbhofbauern schwerer, denn : „Das Blut der alten Bauerngeschlechter des Waldviertels, die für Zwecke der Landesverteidigung ihre Höfe aufgeben mussten, [muss] unter Ausschöpfung aller Mittel wieder mit dem Boden verbunden werden.“251 Damit erlangte der bereits 1938 abgeschlossene Kaufvertrag zwischen der Erbhofbesitzerin und dem ausgesiedelten Bauernehe- paar volle Rechtsgültigkeit. Einen ähnlich lautenden Antrag brachte Gregor Dorner, Eigentümer eines 15 Hektar umfassenden Erbhofs in Wartberg, 1942 ein. Der Hof solle aus der Erb- höferolle gestrichen werden, weil kein „positives Wirtschaftserträgnis“ zu erzielen sei ; damit sei die „Ackernahrung“ nicht mehr gegeben.252 Gegen dieses Ansinnen wandte sich Leopold Karner, ein entfernter Verwandter des Hofeigentümers ; es handle sich um einen „durchaus rentable[n] Betrieb“.253 Dahinter verbargen sich unterschiedliche Interessen : Dorner, 74 Jahre alt, alleinstehend und ohne nahe Verwandte, wollte  – nicht zuletzt wegen wiederholter Vorwürfe wegen „mangeln- der Wirtschaftsfähigkeit“ durch die Behörden  – den Hof veräußern und hatte begonnen, mit gerichtlicher Genehmigung einzelne Parzellen zu verkaufen.254 Karner und seine Frau, die einen anderen Erbhof in Wartberg besaßen, hatten jah- relang auf Dorners Hof ohne angemessene Entlohnung mitgeholfen, bevor sie mit dem Eigentümer 1938 über ihre Entschädigungsansprüche in Streit gerieten ; da- her erhoben sie für sich selbst oder ihren Sohn Anspruch auf das Hofeigentum.255 Nach umfangreichen Erhebungen, unter anderem einem Lokalaugenschein, kam das Gericht zum Schluss, dass  – trotz gegebener „Ackernahrung“, aber infolge der desolaten Gebäude  – die Erbhofeigenschaft mangels „Hofstelle“ nicht gegeben sei ; damit schien es überflüssig, über die „Bauernfähigkeit“ des Eigentümers zu urtei- len.256 Auf diese Weise erhielt Dorner, ungeachtet der Ansprüche von Karner und dessen Familie, vom AEG grünes Licht für den Verkauf des Hofes. Beide Gerichtsverfahren waren außergewöhnlich ; sie rechtfertigten das, wo- gegen sich das REG im Kern richtete : Der unveräußerliche, an die „Sippe“ ge- bundene Erbhof wurde zu Geld gemacht, an eine andere „Sippe“ verkauft. Die beiden Fälle zeigen aber auch, unter welchen durchaus normalen Umständen solch außergewöhnliche Transaktionen die Hürden der Erbhofgerichtsbarkeit über- wanden. Die Eigentümerin und der Eigentümer waren aufgrund ihres hohen Al-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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