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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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227Wer ist (k)ein „Bauer“ ? sondern davon ebenso beeinflusst, wie sie darauf Einfluss nahmen.308 Der Zusam- menhang von Vorder- und Hinterbühne umfasste erstens die Gegner und deren Verbündete. In allen Fällen standen einander die Erbhofeigentümer/-innen und der Kreis- oder Landesbauernführer vor Gericht gegenüber. Doch die zugrunde liegenden Konflikte entzündeten sich zwischen Familien und Haushalten, wie im Fall Maria Hubers und ihrer Nachbarschaft, oder innerhalb von Familien und Haushalten, wie in den Fällen von Rosa Müller und ihrem Ehegatten, Ludwig Ro- thensteiner und seinem Bruder sowie Leopold Schweinhammer und dem Pflicht- jahrmädchen. Diese Konflikte brachen nicht entlang schwacher, sondern starker Beziehungen wie Verwandtschaft, Nachbarschaft und Dienstverhältnis auf. Ob- wohl allein der Reichsnährstand berechtigt war, Anträge zur anerbengerichtlichen Überprüfung der „Bauernfähigkeit“ einzubringen, ging die Initiative dazu wohl von einer der Konfliktparteien aus. So können wir annehmen, dass der Ehemann Müllers anfänglich mit der Kreisbauernschaft im Einvernehmen stand. Die Ver- wicklung von Orts- oder Kreisbauernführern im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens kommt normalerweise in den Quellen nicht zur Sprache ; dies wird nur ausnahms- weise fassbar, so etwa im Fall einer Bauerntochter, die einen familiären Konflikt an die Kreisbauernschaft herantrug : Ihre Schwägerin mische sich immer wieder in die Wirtschaftsführung der Bäuerin ein. Auf Gegenwehr reagiere die Schwägerin mit einer Drohung : „Wehrt sich meine Mutter dagegen, sagt die Frau meines Bruders, sie geht zur Kreisbauernschaft, die sind auf ihrer Seite, die sollen die Alte entfer- nen.“309 Dieser Fall enthüllt die nicht seltene Taktik, in familiären Konflikten die eigene Position durch Allianzen mit machtvollen Anderen zu stärken. Mitunter machten die Streitparteien alltäglicher Konflikte auf eigensinnige Weise Gebrauch vom Staatsapparat. Doch indem ländliche Akteure ihre Anliegen in Allianz mit öffentlichen Autoritäten verfolgten, setzten sie sich auch der Kolonialisierung ihrer Alltagswelt durch das politisch-ökonomische System aus.310 Zweitens schloss der Zusammenhang von Vorder- und Hinterbühne auch die Streitgegenstände ein. In formeller Hinsicht ging es in all diesen Gerichtsverfahren um die Klärung der „Bauernfähigkeit“ der Erbhofeigentümer/-innen. Doch dieser Verfahrensgegenstand war meist mit informellen Streitgegenständen verbunden : eine Geschwisterrivalität um das väterliche Erbe im ersten Fall, eine Auseinander- setzung benachbarter Hofbesitzer/-innen um die Verfügungsrechte über Grund und Boden im zweiten Fall, ein ehelicher Streit über männliche und weibliche Einflusssphären im dritten Fall, ein Disput über die Rechte und Pflichten bäuer- lich-patriarchalischer Autorität im vierten Fall. Der Fall Schweinhammer verdient erhöhte Aufmerksamkeit : Anders als in den übrigen Fällen entbrannte hier ein offener Streit um die bäuerliche „Standesehre“ als einem integralen Bestandteil des REG zwischen den Kontrahenten, dem Reichsnährstand und dem AEG auf
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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