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242 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe
der jeweiligen Wohngemeinde lag, lässt eine lokale Betrachtung weiter reichende
Schlüsse als die Regionalperspektive zu. Anhand ausgewählter Gemeinden, die
das Spektrum der regionalen Agrarsysteme abdecken, werden die Landtransfers
zwischen den Gruppen gleichartiger Höfe in Ansätzen fassbar. In der Region Lit-
schau zeigte der „Grundstücksverkehr“ unterschiedliche Gesichter (Tabelle 3.22).
Nehmen wir den Abgang von einem Prozent der Kulturfläche oder mehr als Un-
tergrenze, dann wurde diese Marke in Großradischen nur 1942/43, in Haugschlag
1941/42 und 1942/43 sowie in Heidenreichstein in allen drei Jahren übertroffen.
In Großradischen waren 1942/43 dafür vor allem die Flächenverluste der Misch-
wirtschafter (–5,9 Hektar) verantwortlich. Sie kamen nur zum geringen Teil an-
deren Betriebsgruppen zugute ; zum größeren Teil wurden die Gründe anderen
Zwecken zugeführt. Haugschlag verzeichnete 1941/42 einen regen „Grundstücks-
verkehr“, der sich 1942/43 abgeschwächt, aber dennoch lebhaft fortsetzte. Zu den
Gewinnern zählten anfangs die Arbeiterbauernfamilien (+4,5 Hektar), unter denen
Wachstums- und Schrumpfungsbetriebe deutlich auseinandertraten ; Landverluste
verzeichneten zunächst vor allem die Nebenerwerbsbauernfamilien (–5,0 Hektar),
die Mischwirtschafter (–3,8 Hektar) und die Gewerbebauern (–3,0 Hektar). Diese
Verschiebungen flachten im Folgejahr ab – mit Ausnahme der Ochsenbauern (–2,3
Hektar), die sich auf der Verliererseite wiederfanden. Heidenreichstein unterschied
sich von den beiden anderen Gemeinden durch erhebliche Landtransfers während
der gesamten Beobachtungszeit. Herausragend waren die Gewinne der Gewerbe-
bauern (+5,5 Hektar) 1941/42 sowie die Verluste der Arbeiter- (–2,3 Hektar) und
Nebenerwerbsbauernfamilien (–4,0 Hektar) 1943/44. Insgesamt lassen diese Zahlen
die Konturen des Landtransfers in der Region Litschau erkennen : Regional ein-
heitliche Kulturflächenverschiebungen zeigten etwa die Mischwirtschafter in Groß-
radischen und Haugschlag sowie die Nebenerwerbsbauernfamilien in Haugschlag
und Heidenreichstein. Die auseinanderlaufenden Entwicklungsrichtungen der Ar-
beiterbauernfamilien in Haugschlag und Heidenreichstein sowie der Gewerbebauern
in Haugschlag und Heidenreichstein lassen lokale Eigenarten des Landtransfers
vermuten.
Ähnlich stellte sich der Landtransfer in der Region Mank dar. Am beständigsten
entwickelten sich die Kulturflächengrößen in Bischofstetten (Tabelle 3.23) ; hier
rangierten die jährlichen Abgänge durchwegs unter einen Prozent der gesamten
Kulturfläche. Nur 1941/42 kam etwas mehr Bewegung ins Spiel, wofür die Verluste
der Gewerbebauern (–5,0 Hektar) sowie die Schrumpfungs- und Wachstumsten-
denzen unter den Maschinenmännern (+1,9 Hektar) den Ausschlag gaben. In Plan-
kenstein verschoben sich die Größenverhältnisse etwas deutlicher : 1941/42 zeich-
nete sich eine Landumverteilung unter den Ochsenbauern (–2,4 Hektar) ab. Im Jahr
darauf traten die Mischwirtschafter (–4,7 Hektar) Flächen in bedeutendem Maß ab.
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937