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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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267Die Steuerung der „Landflucht“ und Erscheinungsformen, sondern auch Folgen und Lösungsansätze. Von den Fol- gen betroffen seien zunächst die bäuerlichen Familien, insbesondere die Frauen, die Landarbeit als „lebenslange Schufterei“ empfänden ; zudem werde die „Land- gesinnung“ der verbleibenden familienfremden Arbeitskräfte geschwächt ; schließ- lich bestehe aufgrund des Arbeitskräftemangels die Gefahr der Extensivierung der Betriebe. Während die Experten bei der Problemdiagnose weitgehend Einigkeit zeigen, fächern sich die Argumente bei der Therapie auf. Teils werden kurz- bis mittelfristige, an den Folgen ansetzende Lösungen erörtert : der Einsatz in- und ausländischer Hilfskräfte als „Notlösung“, die forcierte Mechanisierung auf ge- nossenschaftlicher Basis oder die Pflege und Stärkung der „Landgesinnung“. Teils entwerfen die Experten, der radikalen (sozial-)technokratischen Linie Meyers fol- gend, mittel- bis langfristige Lösungen, die an den Ursachen, den mangelnden Aufstiegsmöglichkeit von ledigem Gesinde sowie arbeiter- und kleinbäuerlichen Familien, ansetzen : „Diese naturgemäß erstrebenswerte ‚Aufstiegsmöglichkeit‘ ist aber im Wesentlichen eine Frage des verfügbaren Bodens, eine Frage des Lebensraumes [Hervorhebung im Original].“ Erst die Eroberung neuen „Lebensraumes“ im Osten im Krieg ermögliche die Grundaufstockung klein- und mittelbäuerlicher Famili- enbetriebe durch Zusammenlegungen und, in weiterer Folge, die Schaffung hof- gebundener, mit Kleingrund- und Hausbesitz ausgestatteter Landarbeiterfamilien gemäß der Heuerlingsverfassung im „Altreich“ ; zudem erhielten alle Übrigen  – „der junge, aufstrebende nachgeborene Bauernsohn oder der junge Landarbeiter, der sich vor die Berufswahl gestellt sah“  – die Möglichkeit zur Ostsiedlung.53 Damit liefert die Entschlüsselung des Raumforschungsdiskurses eine bemer- kenswerte Erkenntnis : Die Lösung der Landfluchtfrage wurde als Teil einer um- fassenden „Bereinigung“ der Agrarstruktur im „Altreich“ und der Germanisierung der eroberten Ostgebiete begriffen.54 Dieses autoritär-moderne Megaprojekt55 diente letztlich der Existenzsicherung eines Fundaments „rassisch“ und ökono- misch leistungsfähigen „Bauerntums“  – „lebensstarke[r] Höfe von hinreichend biologischer und technisch produktiver Entfaltungskraft“56  – in der nicht bloß hingenommenen, sondern als gestaltbar akzeptierten Industriegesellschaft : „Das deutsche Volk ist nämlich noch spannkräftig und wandlungsfähig genug […], nach dem Plan der industriellen Selbstversorgung noch einen entsprechenden Plan für die Verbreiterung und Erneuerung des bäuerlichen Fundamentes zur Ausführung zu bringen.“57 Die Agrargesellschaft als „Fundament“ und die Industriegesellschaft als deren „Gerüst“ erschienen nicht als unversöhnliche Gegensätze, sondern als einander ergänzende Teile eines organischen Ganzen : „Fundament und Gerüst gehören zusammen ; arbeitsmäßig gesehen sind beides Bereiche ständig steigen- der Arbeitsentfaltung, somit ständig steigenden Arbeitsbedarfs.“58 Dementspre- chend wertete das (sozial-)technokratische Planungsdenken der Agrarexperten
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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