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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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304 „Menschenökonomie“ unter Zwang Bauern diese kranken Russen verpflegen müssen, ohne dass sie etwas leisten“.172 Diese Argumentation machte sich Paul Hönigl, der Verantwortliche für den „Ar- beitseinsatz“ in der Behörde des Reichsstatthalters in Niederdonau, etwa einen Monat später zu Eigen ; er forderte eine effizientere Selektion der „Zivilarbeiter“ aus den besetzten Ostgebieten.173 Gesundheit und Wohlbefinden galten nicht nur als Voraussetzungen der Leis- tungsfähigkeit ; sie standen in der Arbeit im Allgemeinen, in der Forstarbeit im Be- sonderen, auch auf dem Spiel. Das zeigen die Berichte über die mangelnde Ernäh- rung und Bekleidung von sowjetischen und ungarisch-jüdischen Arbeitskräften, wie jener des Landrats Lilienfeld vom Mai 1942 : „Der Einsatz dieser Ostarbeiter ist besonders in der Forstwirtschaft schwer, weil diese Zivilarbeiter zu 95 % über- haupt keine Fussbekleidung besitzen. Die Kleidung besteht zum grössten Teil aus Fetzen.“174 Diese Versorgungsmängel begünstigten nicht nur Krankheiten, sondern auch Verletzungen standen an der Tagesordnung, etwa bei der Holzarbeit.175 Dass die mangelnde Erfahrung der ausländischen Arbeitskräfte in der Handhabung der scharfen Werkzeuge, im Erkennen lebensbedrohender Situationen und im Trans- portieren der tonnenschweren Baumstämme das Unfallrisiko erhöhte, blieb auch den Behörden nicht verborgen. So berichtete der GP Waidhofen an der Ybbs im Jänner 1942, „dass bei Verwendung von nichtgeschulten Arbeitskräften bei den Holzschlägerungsarbeiten häufig Unfälle sich ereignen“.176 Unter diesen Bedingungen waren die Folgen des Einsatzes der großteils aus städtisch-bürgerlichem Milieu stammenden ungarischen Jüdinnen und Juden  – es handelte sich durchwegs um „Händler, Gewerbetreibende, Lehrer, Ärzte usw.“177  – in der Land- und Forstwirtschaft Niederdonaus ab der zweiten Jahreshälfte 1944 absehbar : „Für die Holzschlägerungsarbeiten waren diese Arbeitskräfte völlig un- geeignet, da sie diese Arbeiten einfach nicht leisten konnten.“178 Dennoch wur- den zahlreiche jüdischen Frauen und Männer auch über den Winter 1944/45 in den Wäldern größerer Bauern- und Gutsbetriebe eingesetzt. Verletzungen standen an der Tagesordnung, und immer wieder ereigneten sich Unfälle mit tödlichem Ausgang.179 Im Jänner 1945 kam der 43-jährige Andreas Fleischer aus dem Ar- beitslager der Kartause Aggsbach Dorf beim Holzfällen ums Leben  – „aus eigener Unvorsichtigkeit“, wie der anzeigende Gendarm nicht hinzuzufügen vergaß : „Der im gleichen Lager beschäftigte ung. Jude Franz Szalay hatte einen Baum gefällt. In diesem Moment kam der als schwerfällig geschilderte Jude in die Fallrichtung des Baumes gelaufen. Obwohl Szalay den Juden Fleischer durch einen Achtungsruf warnte, lief letzterer direkt in den niederstürzenden gefällten Baum. Der Jude wurde von dem Baum derart schwer getroffen, daß er auf der Stelle verschied.“180
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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