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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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305 Arbeit als alltägliches Kräftefeld Im Interesse der am Unfallgeschehen Beteiligten, aber auch der für den Einsatz verantwortlichen Aufseher, Verwalter und Betriebsbesitzer/-innen stellte der Gen- darm den Fall so dar, dass Zweifel an der Verschuldensfrage kaum aufkommen konnten. Neben der Arbeit im Forst bestand auch bei der Feldarbeit für viele un- garische Juden und Jüdinnen erhöhte Gefahr für Leib und Leben, etwa wegen des mangelnden Luftschutzes während der Feldarbeit.181 Offenbar war das Interesse der für den „Judeneinsatz“ Verantwortlichen, die Arbeitskraft dieser Menschen nachhaltig zu sichern, äußerst gering. Die meisten Arbeitsgänge in der Land- und Forstwirtschaft erforderten ein ho- hes Maß an Kraft und Ausdauer. Die geschlechts- und generationenabhängige Aufteilung der Tätigkeiten in der Land- und Forstwirtschaft war an diese materi- ellen Erfordernisse angepasst ; in die häusliche Arbeitsteilung floss aber auch die symbolische Ordnung der Geschlechter und Generationen ein : Die Hausarbeiten, die Grundversorgung der Tiere im Stall sowie niederrangige Arbeiten auf dem Feld galten zumeist als „Weiberarbeit“ ; spezialisierte, auf Marktproduktion ausge- richtete Tätigkeiten, höherrangige Arbeiten auf dem Feld und die Arbeit im Forst galten in erster Linie als „Männerarbeit“ ; einfache Hilfsdienste im Haus, im Stall und auf dem Feld waren vor allem Kindern zugedacht. In kleineren Familienwirt- schaften verschwammen die Grenzen dieser Arbeitsteilung ; in der Regel mussten eher Frauen Männerarbeiten übernehmen als umgekehrt.182 Der Krieg brachte, so scheint es, einige Unordnung in die gewohnte Arbeitsteilung. Vor allem in der Forstwirtschaft stieß die Zuweisung von Frauen und Jugendlichen zwangsläufig auf Widerstände. Nach dem Bericht des Landrats Lilienfeld vom Juni 1942 über den Einsatz der „Ostarbeiter“ seien „14–16jährige Buben nicht geeignet, im ber- gigen Gelände als Holzarbeiter eingesetzt zu werden, trotzdem erfolgt die Zuwei- sung durch die Arbeitsämter“.183 Die Widersprüche zwischen „Einsatzlenkung“ und tradierter Arbeitsteilung schienen im waldreichen, gebirgigen Kreis Lilienfeld auch im Dezember 1943 noch nicht beseitigt : „Die in den landw. Betrieben einge- setzten Fremdvölkischen, zum überwiegenden Teil weibliche Kräfte, können in der Regel zur Holzarbeit im bergigen Gebiete nicht verwendet werden, umsoweniger als in vielen Höfen der Bauer selbst eingerückt ist und die Bäuerinnen nicht im- stande sind, die Holzarbeiten zu leiten.“184 In der Beschreibung Helene Pawliks, die einem Bauernbetrieb in Hafnerbach zugeteilt war, wird die körperliche An- und Überforderung von ausländischen Frauen in den Wäldern fassbar : „Ich denke oftmals, dass ich noch lebe, was ich im Wald gearbeitet habe. Holzhacken mit dem Mann [Bauern], gearbeitet und gearbeitet und gearbeitet in meinem Leben. Und Stöße machen im Winter, muss man arbeiten, viel arbeiten im Winter.“185 Der In- halt des Gesprochenen, aber auch die sprachliche Form  – „gearbeitet und gearbei- tet und gearbeitet“  – lassen die Qualen der unablässigen, kräfteverzehrenden und
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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