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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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309 Arbeit als alltägliches Kräftefeld gen Erzählen häufig in ein verklärtes Licht gerückt wird. Waren die ausländischen Bediensteten einmal angelernt, erschienen sie für die Dienstgeber/-innen vielfach kaum mehr entbehrlich. In Konfliktfällen zählte oftmals der mögliche Verlust an Wissen und Können mehr als die Gegenleistungen an die Landarbeiter/-innen. Nicht zuletzt die unsachgemäße Behandlung der Geräte und Maschinen hätte ei- nen finanziellen und, angesichts der Lieferengpässe, kaum wieder gutzumachenden Schaden verursacht.194 Ließen sich einfachere Geräte noch irgendwie ersetzen, war dies bei komplizierten Maschinen nahezu unmöglich. Geschulte Ausländer/-innen waren daher angesichts des Mangels an inländischen Fachkräften vor allem in den mechanisierten Großbauern- und Gutsbetrieben äußerst begehrt. Bereits im Sep- tember 1940 gestattete der Reichsstatthalter in Niederdonau im Einvernehmen mit dem Reichsführer SS die Verwendung von Kriegsgefangenen als Führer von Zugmaschinen in landwirtschaftlichen Betrieben.195 Im November 1942 wandte sich die Gutspachtung Gattendorf vehement gegen das angebliche Verbot, sowje- tische Kriegsgefangene als Traktorführer zu beschäftigen „da wir sonst überhaupt nicht in der Lage sind, die Traktoren und sonstigen Maschinen voll zu besetzen. Es hat sich herausgestellt, dass die Russen in jeder Weise ihre Arbeit, wenigstens auf meinem Betrieb, ganz tadellos erledigen.“196 Unter Hinweis auf die „Sabota- gegefahr“ teilte die Kreisbauernschaft Bruck an der Leitha mit, dass unter „sach- verständiger, umfassender und ständiger Aufsicht“ der Einsatz der sowjetischen Kriegsgefangenen möglich sei.197 In diesem Fall wogen die betriebswirtschaftli- chen Bedenken schwerer als die rassenpolitischen. In den Augen der Betriebsbesitzer/-innen nützten Kraft und Ausdauer, Wis- sen und Können wenig, wenn nicht auch Verlässlichkeit und Motivation gegeben waren. Den Umgang mit Unzuverlässigkeit und Demotivation zeigt der Fall des 24-jährigen polnischen Landarbeiters Sigismund Janofsky, der in einem Bauern- betrieb in Erlach, Kreis Wiener Neustadt, beschäftigt war. Im März 1942 nahmen ihn Gendarmen aufgrund einer Anzeige seines Dienstgebers wegen fahrlässiger Gefährdung fremden Eigentums fest. Zugleich wurde bei der Gestapo-Außen- stelle Wiener Neustadt der Antrag gestellt, ihn nach der Entlassung aus dem Ge- fangenenhaus beim Landgericht Wiener Neustadt in ein Arbeitslager einzuliefern. Die Tatgeschichte mutet vergleichsweise belanglos an : Laut Aussage des Bauern war der Verdächtige auf dem Heuboden mit dem Mischen des Futters beschäftigt. Nach einiger Zeit „[…] wollte ich mich überzeugen, ob er auch tatsächlich arbeitete. Aus diesem Grund stieg ich langsam und geräuschlos über die Leiter zum Boden hinauf. Als ich zur Türe des Heubodens kam, saß Sigismund Janofsky auf einem Sparren und zündete sich soeben eine Zigarette an. Nachdem rund um ihn herum trockenes Heu lag, machte
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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