Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 310 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 310 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 310 -

Bild der Seite - 310 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 310 -

310 „Menschenökonomie“ unter Zwang ich ihm deshalb Vorwürfe. Kaum das er mich erblickte warf er die Zigarette auf den Boden und zertrat sie mit den Füßen.“ Laut Aussage des polnischen Landarbeiters hätte er „einen Spiegel vor das Gesicht gehalten und mit einem Zündholz in einem Zahn herumgestochert, weil er angeb- lich Zahnschmerzen gehabt habe“.198 Der Fall verdeutlicht die Wechselwirkungen zwischen den Strategien der am landwirtschaftlichen Arbeitsgeschehen Beteilig- ten : Bei mangelnder Verlässlichkeit verstärkten die Dienstgeber die Kontrolle ; bei mangelnder Motivation erhöhten sie den Arbeitsdruck, notfalls auch mithilfe ei- gener oder der staatlicher Gewalt. Zugleich ist auch anzunehmen, dass diese Res- triktionen wiederum zur vielfach beklagten „Unzuverlässigkeit“ und „Faulheit“ der Bediensteten beitrugen. Die Versuche der Besitzer/-innen landwirtschaftlicher Betriebe, mangelnder Verlässlichkeit und Motivation durch Kontrollen und Arbeitsdruck zu begeg- nen, waren mannigfaltig ; ebenso vielfältig waren die Versuche der ausländischen Landarbeiter/-innen, sich diesen Zwangsmaßnahmen zu entziehen. Die Spiel- räume des Sich-Entziehens hingen von unterschiedlichen Bedingungen ab  – unter anderem davon, ob der „Arbeitseinsatz“ einzeln oder kolonnenweise erfolgte. Un- ter den Gruppen, die in Arbeitskolonnen zum Einsatz kamen, fanden die Familien der „ungarischen Juden“ wohl die geringsten Spielräume vor. Davon zeugt etwa ein von Aufsehern auf dem Acker inszenierter Wettstreit ukrainischer und polnischer Männer gegen die ungarisch-jüdischen Frauen und Kinder, an den sich Julia Kádár erinnert : „Es gab zwei Arbeitsaufseher, die sie getrieben haben und die Frauen und die Kinder mit diesen mächtigen, grobschlächtigen, für mich grobschlächtigen, großen Männern wettstreiten ließen Also, sie arbeiteten in einer Reihe, so, dass die Mütter  – sie haben gemacht, dass sie vorrannten mit ihrer eigenen Arbeit und zurück rannten, um die Arbeit der Kinder einzuholen, damit sie keinen Strafen und Brüllereien ausgesetzt waren.“199 Die Angst um die Kinder wie die Angst vor Bestrafung ließ die Frauen ständig zwischen vorgerückten und nachhinkenden Gliedern der Menschenkette hin- und herhetzen  – ein Dilemma, aus dem kein Ausweg möglich schien. Andere Gruppen von kolonnenweise eingesetzten Ausländer/-innen verfügten über größere Spielräume, um sich den Zwangsmaßnahmen der Betriebsleiter/- innen zu entziehen. Dimitrij Filippovich Nelen kam im Sommer 1944 im Guts- betrieb des Erzbistums Wien in Obersiebenbrunn zum Einsatz. Einem nach Kriegsende angelegten Verzeichnis zufolge waren zu dieser Zeit 40 sowjetische
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder