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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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314 „Menschenökonomie“ unter Zwang Großen aufspielen“ wollte. Als Beleg für die Einbindung des „Fremdarbeiters“ in die Bauernfamilie kommt die Erzählerin auf zwei Situationen zu sprechen : das gemeinsame Essen, auf dem der Vater entgegen den Vorschriften bestanden habe, und die gemeinsame Arbeit. „Ausnützen“ habe er sich nicht lassen : „Wir haben ein Ross gehabt, das war recht ein ‚Geher‘. Mit dem Ross habe ich fahren müs- sen, der ist nicht gefahren mit ihm. Das ist ihm zu schnell gegangen.“ Hingegen habe er andere Arbeiten „gern gemacht“ : „Der hat auch geackert, was halt gerade war […] Stark war er ja. Das hat ihn gefreut wenn er so eine Arbeit machen hat können.“ Das „Ackern“, das Pflügen mit dem Pferde- oder Ochsengespann, sei ihm lieber gewesen als das „Ochsenweisen“, das Lenken der Zugtiere.208 In diesen Schilderungen wird ein wenig vom Eigensinn des ukrainischen Burschen fassbar : Arbeiten, die er als Zumutung empfand, suchte er abzuwehren ; hingegen nahm er andere Arbeiten als Anreize an. Alexius Schkelelej teilt mit anderen Landarbeitern gleichen Alters, gleichen Geschlechts und gleicher Staatszugehörigkeit eine Über- lebensstrategie, die das erzwungene Arbeiten und Leben in der Fremde erträglich machte : Die An- und Überforderung der täglichen Verrichtungen auf dem Hof, vor allem der prestigeträchtigen, den erwachsenen Männern zugedachten Arbei- ten, wurde zur Herausforderung gewendet. Dies deckte sich vielfach mit der bäu- erlichen Strategie, angesichts des herrschenden Arbeitskräftemangels verlässliche und fleißige Dienstboten an den Hof zu binden. Für ausländische Frauen, das le- gen mehrere Fälle nahe, scheinen sich derartig prestigeträchtige Positionen in weit geringerem Maß geboten zu haben. Männliche Arbeitskräfte aus dem Ausland konnten sich offenbar die patriarchalischen Strukturen ländlicher Alltagswelten in höherem Maß zunutze machen als weibliche. In solchen Situationen wurden ausländische Arbeitskräfte in erster Linie über Geschlechts- und Generationen-, erst danach über ethnische oder nationale Zugehörigkeiten positioniert.209 Gäbe es ein bezeichnenderes Indiz dafür als den ukrainischen Landarbeiter, der  – wie der Bauer  – den Pflug führt, während die deutsche Bauerntochter die Ochsen weist ? Ging es bisher vor allem um die Perspektiven der ausländischen Arbeitskräfte, so rücken nun die Sichtweisen der einheimischen Bevölkerung  – genauer : die Be- wertung der Arbeitsleistungen der Ausländer/-innen  – stärker in den Mittelpunkt. Um den Wert der Arbeit der „Fremdarbeiter“ in den Augen der Einheimischen zu erfassen, steht in Form der behördlichen Lageberichte eine zeitlich und räumlich dicht gesäte Massenquelle zur Verfügung. Besonderes Augenmerk gilt dabei den erstmaligen Einsätzen polnischer Zivilarbeiter/-innen und westlicher Kriegsge- fangener 1940, sowjetischer Kriegsgefangener und Zivilarbeiter/-innen 1942 so- wie „ungarischer Juden“ 1944. Bereits die Berichte von Gendarmerieposten der Kreise Amstetten und Zwettl von 1940 zeigen, dass die Beurteilung ausländischer Arbeitskräfte in der Landwirtschaft erheblichen Schwankungen unterlag (Tabelle
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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