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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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316 „Menschenökonomie“ unter Zwang allein deren schlechter körperlicher Zustand beklagt. In der zweiten Jahreshälfte 1942 gewann dagegen eine stärker ideologische Sichtweise Oberhand. Die angeb- lich gesteigerte „Arbeitsunwilligkeit“ der französischen und belgischen Kriegsge- fangenen resultiere nach Meinung der Bauern aus den „verderblichen Einflüssen“ der Arbeitskräfte aus dem Osten auf jene aus dem Westen. Damit kam das natio- nalistische und rassistische Deutungsmuster, das bereits 1940 die Abwertung „des Polen“ gegenüber den westlichen Kriegsgefangenen begünstigt hatte, 1942 erneut zur Geltung. Folglich formulierte der Gendarmeriepostenführer von Seitenstetten über die „Arbeiter russischer, ukrainischer oder polnischer Volkszugehörigkeit“ in kaum zu überbietender Klarheit : „Dummheit, Faulheit und aufgebärdendes Be- nehmen sind ihre angeborenen Eigenschaften.“213 Ähnliche Töne wurden bereits in den Berichten des GP Oed vom Juni und Juli angeschlagen, wonach die „Uk- rainer“ allesamt „faul und diebisch veranlagt“ seien.214 Gegen Ende 1942, als der Abzug der Ausländer/-innen in industrielle und gewerbliche Wirtschaftszweige den Arbeitskräftemangel spürbar erhöhte, gewannen wieder pragmatische Sicht- weisen die Oberhand. Der Zusammenhang zwischen der Linderung des Arbeitskräftemangels und der Verstärkung nationalistisch-rassistischer Projektionen wird, wie im Sommer 1940 beim Einsatz westlicher Kriegsgefangener, am Fall Seitenstetten auch 1942 beim Masseneinsatz sowjetischer Kriegsgefangener und „Zivilarbeiter“ deutlich. Umge- kehrt lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Verschärfung des Arbeitskräfte- mangels und der Abschwächung nationalistisch-rassistischer Projektionen, der be- reits im Frühjahr 1940 den „Poleneinsatz“ kennzeichnete, am Fall Euratsfeld auch im Frühjahr 1942 beim „Russeneinsatz“ beobachten. Offenbar gewann, je nach der aktuellen Lage auf dem Arbeitsmarkt, die ideologisch bedingte Ablehnung be- stimmter Kategorien von Ausländer/-innen oder deren pragmatisch bedingte Ak- zeptanz die Oberhand. Freilich variierten auch die beobachteten Verhaltensweisen der ausländischen Arbeitskräfte mit den jeweiligen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen ; angesichts der gesetzlichen wie alltäglichen Verschlechte- rung der Arbeits- und Lebensbedingungen schrillten, wie etwa in Amstetten im August 1940, wegen Missmut, Unzuverlässigkeit und Arbeitsverweigerung der „Fremdvölkischen“ immer wieder die Alarmglocken.215 In der zweiten Jahreshälfte 1944 waren die Berichterstatter in den Behörden mit einer neuen Kategorie ausländischer Arbeitskräfte in der Land- und Forst- wirtschaft konfrontiert : den „ungarischen Juden“. Ein erster, versuchsweiser Ein- satz von 20 ungarisch-jüdischen Arbeitskräften für Zuckerrübenarbeiten auf dem Wehrmachtslehrgut Kattau im Mai 1944 zeigte, dass deren Arbeitsleistungen „un- ter dem Durchschnitt anderer fremdvölkischer Arbeitskräfte“ liegen würden  – eine Einschätzung, die sich auch im August für das im Kreisgebiet auf 113 Personen
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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