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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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332 „Menschenökonomie“ unter Zwang am Hof ein Mindestmaß an Sicherheit für sie und das Kind. Die zehn Mark, die Helene Pawlik verblieben, waren kaum mehr als ein Taschengeld : „Was hab ich von den zehn Mark, wenn ich nichts kaufen kann ? Ich habe nichts kau- fen können  – ja, für mich und für den Sohn hab ich beim Schuster Schuhe machen lassen, Stiefel für mich. Zwei Jahre hab ich gespart, zwei Jahre, das weiß ich noch gut. Zehn Jahre  – ah  – zwei Jahre habe ich gespart für die Schuhe für den Sepp … Jetzt können Sie sich vorstellen, 41er, 40er, 42er, vom 41er Jahr bis zum 45er Jahr hab ich gehabt zehn Mark.“272 Da sie über keine Bezugsscheine für Lebensmittel verfügte, konnte sie die zehn Reichsmark, die ihr verblieben, kaum für Konsumgüter aufwenden. Eine andere Entlohnungspraxis zeigt der Fall des Sergej Zakharovich Ragulin, der gemeinsam mit seiner Mutter auf einem Bauernhof in Zwerndorf arbeitete. Auf die Frage nach dem Barlohn, den er vom Bauern erhielt, antwortet er mit leiser Ironie : „Hat man Geld gebraucht, musste man zu ihm gehen, und er hat welches hergegeben. Wie viel brauchst du ? Zwanzig Mark, und er hat zwanzig Mark hergegeben. Wenn man fünfzig gebraucht hat, fünfzig. Aber im ersten Jahr haben wir ihn überhaupt nicht um Geld gebeten. Wir haben das nicht gewusst. Was durften wir, was durften wir nicht, was schon ? Dann, im Gespräch mit den Polen, mit den Polen, wir waren, wir haben das wenigste bekommen, fünf Mark. Die Polen haben so ungefähr dreißig Mark bekommen, die Franzosen haben mehr bekommen. Im Allgemeinen gab es eine eigene Hierarchie. Ja, eine eigene Hierarchie, und, diese Mark, na, ich bin zum Bauern gegangen, habe von ihm zum Beispiel fünf Mark bekommen, ja, eigentlich nicht ich selber, Mama ist gegangen und hat gebeten.“273 Auch in diesem Fall wurde, ähnlich wie im Fall Helene Pawliks, ein älteres Deu- tungs- und Handlungsmuster, die unregelmäßige, an bestimmte Termine ge- knüpfte Auszahlung von Teilen des Jahreslohns, in einem neuen Zusammenhang adaptiert. Das mit Gesten der Untertänigkeit verbundene Ritual der Auszahlung von Teilbeträgen ähnelt dem „Vorschussnehmen“ inländischer Dienstboten und -botinnen mit Jahreslohn, wie es bis in die Zwischenkriegszeit gepflogen wurde.274 Doch damit enden die Ähnlichkeiten auch schon. Nicht allein der weit unter dem gesetzlichen Entgelt liegende Monatslohn der Frau und ihres Sohnes, sondern auch dessen Vorenthalt markieren einen Unterschied zur Praxis der jährlichen Entlohnung inländischer Dienstboten und -botinnen. In der untertänigen Geste der Mutter, die den Hofbesitzer um ihren rechtmäßigen Lohn und jenen des Soh-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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