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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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341Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? Kriegsgefangenen die Pakete als Aufbesserung der unzureichenden Verpflegung in den Lagerkantinen.311 Die Verfügung über Lebensmittelpakete, die vielfältige Tauschbeziehungen begünstigte, stärkte die Position der Empfänger innerhalb der Hierarchie der Ausländer/-innen.312 Im Unterschied zu den oft heroisierten Tauschgeschichten der Franzosen sind die Erinnerungen der in Lagern unter- gebrachten Zivilarbeiter/-innen und Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion von entwürdigenden Hungererfahrungen geprägt. Dmitrij Filippovich Nelen, der im Gutsbetrieb des Erzbistums Wien im Kreis Gän sern dorf in Niederdonau unterge- bracht war, erzählt vom Zynismus, mit dem die damaligen Aufseher die unzurei- chende Kost kommentierten : „Dreihundert Gramm Brot pro Tag, und trübe Brühe. Am Morgen und am Abend. Am Mittag haben wir nichts bekommen. So war es. Zweimal haben wir gegessen. Satt waren wir natürlich nicht, teils hungrig, weil man sagt, mit einem großen Bauch sei es wohl schwer, sich zu bewegen, mit dem leichten Bauch könne man arbeiten, andern- falls würde man Atembeschwerden haben.“313 Auch die Erinnerungen von in Niederdonau eingesetzten „ungarischen Juden“ sind von chronischem Hunger geprägt : „Und das Entsetzliche an dem Ganzen war der Hunger. Der Hunger, dass wir nie satt geworden sind“,314 urteilt die im Stift Heiligenkreuz eingesetzte Theodora Grünfeld. So bestand etwa im „Juden- lager“ Lichtenwörth ein Frühstück üblicherweise aus 0,3 bis 0,5 Liter kaltem, ungezuckertem Kaffee ; mittags und abends gab es eine dünne, ungesalzene und fettlose Suppe, die manchmal nur pulverisierte Hülsenfrüchte, Bohnen und Erb- sen enthielt.315 Die Sterberaten waren aufgrund der ungenügenden Versorgung enorm hoch ; im „Judenlager“ Gmünd starben täglich zehn bis 15 Personen.316Im Unterschied zur Lagerverpflegung verfügten die im Einzeleinsatz in den Betrieben verpflegten Ausländer/-innen über größere Spielräume. Das REM legte im Ok- tober 1942 ausdrücklich fest, dass die einzeln in der Landwirtschaft eingesetzten zivilen Ausländer/-innen  – also auch jene aus der Sowjetunion  – in die „Selbst- versorgergemeinschaft“ aufzunehmen seien ; damit waren sie auf dem Papier den deutschen „Volksgenossen“, mit Ausnahme der Sonderzuteilungen, gleichge- stellt.317 Die gesetzlich dekretierte „Selbstversorgergemeinschaft“ übertrug die elementaren Bedürfnisse der im Einzeleinsatz befindlichen Arbeitskräfte aus dem Ausland der bäuerlichen und gutsbetrieblichen Haushaltsführung. Ob die zuste- henden Rationsmengen tatsächlich verabreicht wurden, entschieden vor allem die Dienstgeber/-innen und jene Personen, die Zugang zu den Vorräten hatten. Für die Ausländer/-innen, die über keine Lebensmittelkarten verfügten, be- standen kaum legale Alternativen zur Verköstigung am Hof, wie die ehemals in
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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