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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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345Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? Sprache.331 Psychische und physische Aspekte der Ernährung sind untrennbar mit- einander gekoppelt : Gefühle des Unbehagens mit dem fremden Geschmack, die mit identitäts- und differenzstiftenden Vorstellungen verbunden waren, sind cha- rakteristisch für die weniger diskriminierten Gruppen ausländischer Arbeitskräfte im Einzeleinsatz in der Landwirtschaft des Dritten Reiches ; diese verfügten über eine vergleichsweise gute Grundversorgung mit Nahrungsmitteln. Für die stärker diskriminierten Gruppen in den Lagern standen aber weitaus existenziellere Pro- bleme des Überlebens im Vordergrund ; nur selten thematisierten diese Erzähler/- innen daher Geschmacksfragen. Für die physische Erhaltung ausreichendes, doch unvertrautes Essen nährte die  – bis zum „psychosozialen Tod“ reichende  – Fremd- heitserfahrung der Neuankömmlinge. Der südfranzösische Zivilarbeiter François Caux empfand seine durchaus nährstoffreiche Kost keineswegs als angemessen : „Und wenn ich mit den Pferden pflügen ging, nahm ich diese Sachen, Speck und solche Sachen, vor allem Schweinefleisch, es ist Schweinefleisch gewesen. Ich weiß nicht, aber ich habe niemals Rindfleisch, ein Steak oder sowas, dort gegessen, sehen Sie. Niemals. Immer Schweinefleisch. Und ein Viertel, ein Viertel Wein.“332 Schweinefleisch galt seinem an Geflügel- und Rindfleisch gewohnten kulinari- schen Habitus als minderwertig, abstoßend, fremd. Die gehäuften Fremdheitser- fahrungen ließen in den ersten Wochen seines „Arbeitseinsatzes“ im Reichsgebiet beständig Selbstmordgedanken hochkommen. Der Ernährungsalltag der ländlichen Zwangsarbeiter/-innen ist zusammen- fassend schwierig zu bestimmen ; jedenfalls war er durch erhebliche Unterschiede gekennzeichnet. Nach der Rekrutierung und dem oft von extremen Hungererfah- rungen begleiteten Transport ins Reichsgebiet bildete die Zuweisung durch die Arbeitsämter eine entscheidende Weichenstellung. Wer wie die meisten Kriegsge- fangenen und anfangs auch die „Ostarbeiter“ einem Lager zugewiesen wurde, war den amtlichen, nach Nationalität abgestuften Verpflegssätzen unterworfen. Vom Rechtsstatus hing ab, ob man als international anerkannter  – und somit ‚privile- gierter‘  – Kriegsgefangener Pakete von Angehörigen empfangen und damit die kargen Rationen aufbessern konnte, oder, etwa als Angehöriger der Sowjetarmee, rechtlich diskriminiert war. Wer wie die meisten Zivilarbeiter/-innen auf einen Bauernhof kam, gehörte der bäuerlichen „Selbstversorgergemeinschaft“ an. Art und Ausmaß der Ernährung hingen vom Status im jeweiligen Personennetzwerk ab : Verbündete des Bauern oder der Bäuerin genossen meist dieselbe Verpflegung wie die Bauernfamilie, Vereinzelung zog häufig Mangel- und Unterversorgung nach sich. Diese groben Unterschiede waren aufgefächert durch feine, die aus den alltäglichen Verhandlungen vor Ort folgten. Insgesamt offenbart der Blick auf die
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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