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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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360 „Menschenökonomie“ unter Zwang Verweiblichung des Betriebspersonals erfolgte nicht nur passiv, indem der Staat die Männer in den Krieg sandte ; eine aktive Komponente war die Mobilisierung weiblicher Arbeitskräfte für die Landarbeit, teils informell über bäuerliche Ver- wandtschafts- und sonstige Netzwerke, teils formell über die amtliche Arbeitsver- mittlung. Mithin erscheinen Frauen als „Schlüsselvariable“ nicht nur der bäuerli- chen Familienwirtschaft, sondern auch des staatlichen „Arbeitseinsatzes“ auf dem landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt. Wie die Entfamilisierung hing möglicherweise auch die Verstetigung der Fremdarbeitskräfte mit kriegsbedingten Umleitungen der Arbeitskraftströme  – genauer, dem Einsatz der Kriegsgefangenen und Zivilarbeiter/-innen aus den vom Deutschen Reich besetzten oder abhängigen Gebieten Europas  – zusammen. In den Kleinbetriebslisten und Hofkarten waren Angaben zur nationalen Herkunft der Arbeitskräfte nicht vorgesehen ; dennoch fügten zahlreiche Erhebungsorgane in den Hofkarten den Zahlenangaben der ständigen Arbeitskräfte Zusätze wie K für Kriegsgefangene, P für polnische Arbeitskräfte oder O für „Ostarbeiter“ hinzu. Freilich können wir nicht davon ausgehen, dass diese Zusätze die auf den Höfen ständig eingesetzten Ausländer/-innen vollständig bezeichnen ; aber als Annähe- rung an den „Ausländereinsatz“ vor Ort  – die nichtständigen Arbeitskräfte aller- dings ausgeschlossen  – scheinen sie allemal brauchbar. Unter den Gemeinden, für die diese Angaben verfügbar sind, befinden sich Auersthal, Heidenreichstein und St. Leonhard am Forst. Die insgesamt 444 Höfe mit Angaben über ausländische Arbeitskräfte in den drei Gemeinden zeigen überaus deutlich das enorme Gewicht der Zwangsarbeit für die Versorgung bäuerlicher Betriebe mit Gesinde (Tabelle 4.19) : 1942 verteilte sich der Zuwachs an ständigen familienfremden Arbeitskräf- ten gegenüber dem Vorjahr bereits je zur Hälfte auf In- und Ausländer/-innen ; 1943 übertraf die Zunahme ausländischer Arbeitskräfte die Abnahme der inländischen um fast das Doppelte ; und noch 1944, als im Zuge des militärischen Rückzugs der Deutschen Wehrmacht an allen Fronten die Rekrutierung der Zwangsarbeiter/- innen ins Stocken geriet, wog der Zugang an zusätzlichen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitskräften aus verschiedenen Teilen Europas den Abgang deutscher Ge- sindearbeitskräfte nahezu auf. Ein ähnliches Bild wie für die Gesamtheit bietet sich nach Agrarsystemen und Gemeinden : Steigende Gesindezahlen  – etwa der Zuckerrübenbauern 1943  – beruhten auf massiven Zuweisungen ausländischer Ar- beitskräfte ; fallende Gesindezahlen  – etwa in Heidenreichstein 1944  – signalisier- ten Abziehungen größeren Ausmaßes. Der bereits festgestellte Ersatz nichtständi- ger durch ständige Arbeitskräfte entpuppt sich nun über weite Strecken als Ersatz Deutscher durch Ausländer/-innen. Diese Umschichtung begann vergleichsweise früh in Heidenreichstein, wo bereits 1941 deutsche, vermutlich großteils zum Militär eingezogene Inländer/-innen durch Ausländer/-innen ersetzt wurden. In
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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