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„Menschenökonomie“ vor Ort
Bisher haben wir allein die Änderungen des betrieblichen Arbeitskraftpotenzials
betrachtet ; doch für das (unter-)bäuerliche Wirtschaften zählte zudem, wie sich
der Arbeitskräftebesatz zur Flächenausstattung verhielt oder, kurz, die Arbeitsin-
tensität. Ein geeignetes, in der zeitgenössischen Agrarstatistik gebräuchliches Maß
dafür stellt die Zahl der AKE pro 100 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche dar.
Wie an den zehn Beispielbetrieben zu sehen ist, zeigten die Arbeitsintensitäten
eine enorme Streuung : von 12 im Zuckerrübenbauern-Betrieb von Martin Holzer
in Auersthal 1941 bis 143 im Weinhauerfamilien-Betrieb von Johann Futterknecht
in Raggendorf 1944. Nicht nur die Jahreswerte, sondern auch die Änderungen
1941 bis 1944 unterschieden sich in beträchtlichem Maß : von 32 Prozent Ab-
nahme im Ochsenbauern-Betrieb von Leopold Hofer in Plankenstein bis 95 Pro-
zent Zunahme im Arbeiterbauernfamilien-Betrieb von Leopoldine Eichler in Hei-
denreichstein (Tabelle 4.12, Anhang). Um den Umgang der (unter-)bäuerlichen
Haushalte mit den Arbeitskraftressourcen zu ergründen, reicht es nicht, die Zu-
und Abnahmen der Arbeitskapazität zu betrachten ; wir müssen auch die damit
verbundenen Änderungen der Arbeitsintensität einbeziehen.
Die Arbeitskraftnutzung der Gesamtheit der (unter-)bäuerlichen Betriebe in
den Regionen Litschau, Mank und Matzen 1941 bis 1944 verteilte sich nach der
Änderung von Arbeitskraftpotenzial (1 bis 3) und Arbeitsintensität (A bis C) auf
verschiedene Entwicklungspfade (Tabelle 4.27). Insgesamt hielten zwei Fünftel
der Betriebe das Arbeitskraftpotenzial mehr oder weniger konstant (2), während
ein Drittel erhebliche Abstockungen (1) und ein Viertel deutliche Aufstockun-
Tabelle 4.27 : Betriebliche Pfade der Arbeitskraftnutzung in den Regionen
Litschau, Mank und Matzen 1941–1944
Arbeitsintensität Arbeitskraftpotenzial
Zeilensumme
(1) Abstockung (2) Konstanz (3) Aufstockung
(A) Intensivierung 17 155 360 532
(1,1 %) (10,1 %) (23,3 %) (34,5 %)
(B) Konstanz 22 352 16 390
(1,4 %) (22,8 %) (1,0 %) (25,3 %)
(C) Extensivierung 473 136 11 620
(30,7 %) (8,8 %) (0,7 %) (40,2 %)
Spaltensumme 512 643 387
1.542(33,2
%) (41,7 %) (25,1 %) (100,0 %)
Anmerkung : Die Kategorien (2) und (B) erfassen Ab- oder Zunahmen um bis zu 5 Prozent.
Quelle : eigene Berechnungen (Datenbasis : 1.542 Betriebe) nach NÖLA, BBK Gän sern dorf, Mank
und Litschau, Hofkarten.
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937