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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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386 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ von Verwandten und Nachbarn, Wohn- und Wirtschaftsgebäude aufzubauen. Im Herbst 1937 konnten Mensch und Tier wieder in das Anwesen einziehen ; doch die Schulden drückten schwer. Bald kam aber eine Lösung des Schuldenproblems in Sicht, so einer der Söhne Jahrzehnte danach : „Als dann gut ein Jahr später die Entschuldung wirkte, war das ‚ein Segen‘, wie der Vater noch Jahre später sagte.“44 Die Entschuldungs- und Aufbauaktion, die das NS-Regime bald nach dem „An- schluss“ 1938 einleitete, deutete der Oberhofstatt-Bauer in quasi-religiöser Weise als Erlösung von der drückenden Schuldenlast, als „Segen“. Vom Erfahrungsraum des vergangenen, bis in die damalige Gegenwart physisch und psychisch bedrü- ckenden Brandunglücks begann sich der Erwartungshorizont einer hoffnungsvol- len Zukunft abzuheben. Was im heutigen Familiengedächtnis als „Segen“ firmiert, bedurfte in der da- maligen Notlage der Entscheidung, einen Antrag auf Durchführung des Entschul- dungs- und Aufbauverfahrens einzubringen ; und der Oberhofstatt-Bauer war einer der Ersten seiner Gemeinde, der sich dazu entschloss. Gemäß der Entschuldungs- verordnung vom 5. Mai 1938 konnten „entschuldungsbedürftige“, „-fähige“ und „-würdige“ Besitzer/-innen land- und forstwirtschaftlicher sowie gärtnerischer Be- triebe bis zum 31. Dezember 1938 einen Entschuldungsantrag, gegebenenfalls in Kombination mit einem Aufbauantrag, einbringen.45 Bis zum Abschluss des Ver- fahrens genossen die Antragsteller/-innen einen Vollstreckungsschutz ihrer Lie- genschaften.46 Sie mussten in einem vierseitigen Formular genaue Angaben über Betriebs- und Haushaltsmerkmale sowie Ausmaß und Art der Schulden machen.47 Die Formulare wurden üblicherweise über die Ortsbauernführer, die vielfach Stel- lungnahmen zum Antrag hinzufügten, auf dem Amtsweg an die zuständige Land- stelle weitergeleitet. Die Landstellen wurden in der Ostmark 1938 als Reichsbe- hörden eigens zur Abwicklung der Entschuldungs- und Aufbauaktion geschaffen ; die für die Reichsgaue Niederdonau und Wien zuständige Landstelle hatte ihren Sitz in Wien.48 Ort und Zeit der Entscheidungen der Betriebsinhaber/-innen zur Antragstellung sind aktenmäßig dokumentiert ; auf diese Weise erhalten wir Ein- blick in einen meist verborgenen Bereich bäuerlicher Betriebs- und Haushaltsfüh- rung : die Art und Weise der Entscheidungsfindung, welche die Weichen für die betrieblichen Entwicklungspfade stellte.49 Derartig wegweisende Entscheidungen stellen selten einen individuellen Willensakt dar ; sie werden meist kollektiv ver- handelt und folgen vorbewussten Antrieben. Kurz, Entscheidungen sind relational. An vier Fokusgemeinden aus unterschiedlichen Agrarregionen Niederdonaus  – Auersthal im nordöstlichen Flach- und Hügelland, Frankenfels in den südwest- lichen Kalkalpen, der Kleinstadt Heidenreichstein mit ihren Umlandgemeinden im nordwestlichen Granit- und Gneishochland und St. Leonhard am Forst im westlichen Flach- und Hügelland entlang der Donau  – lässt sich die Reichweite
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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