Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 392 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 392 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 392 -

Bild der Seite - 392 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 392 -

392 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ nicht verbunden. Es handelte sich um zwei Höfe abseits der Norm des bäuerlichen Milieus : einen mittelbäuerlichen Besitzer, der wegen seiner Leseleidenschaft als Sonderling galt (Nummer 7),57 und eine ihren Ehemann dominierende Hofeigen- tümerin (Nummer 10).58 Erst die 13 Betriebsinhaber/-innen (Nummer 3, 6, 8 usw.) der darauf folgenden Woche setzten die ‚epidemische‘ Ausbreitung der Antragstel- lung in der Gemeinde in Gang. Die große Zahl gleichzeitig eingebrachter Anträge lässt darauf schließen, dass sich die Unterzeichner/-innen, aufgeweckt durch die öf- fentlichen Ankündigungen von „Entschuldung“ und „Aufbau“, schon längere Zeit in Wartestellung befunden hatten. In enger Verbindung untereinander  – ablesbar an den zunehmenden Schwellenwerten  – entschlossen sich in den folgenden Wo- chen weitere Betriebsinhaber/-innen zum Ausfüllen des Antragsformulars : fünf und dann neun noch im Juli, drei, vier, drei und schließlich nochmals drei im August. Der Ortsbauernführer (Nummer 20) unterzeichnete sein eigenes Formular Anfang August, am Wendepunkt der Antragswelle, mit dem maximalen Schwellenwert ; das heißt, alle seine Netzwerknachbarn hatten bereits Anträge eingebracht. Vermutlich hatte er mit dem Antrag gezögert, um die Resonanz der Aktion in der Ortsbauern- schaft abzuwarten ; nun sprang er auf die Antragswelle auf. So entscheidend das Bürgschaftsnetzwerk für den Zugang zum Kreditmarkt war, so unbedeutend war es offenbar für die Entscheidung zur Teilnahme an der staatlichen Entschuldungs- und Aufbauaktion. Gerade Betriebsinhaber/-innen, die mit frühen Antragsteller/-innen über einseitige oder wechselseitige Bürgschaf- ten verbunden waren (Nummer 19, 29, 31, 32, 34, 36 und 48), trafen ihre Ent- scheidungen überaus spät. Als weitaus wichtiger für die ‚epidemische‘ Ausbreitung der Antragsentscheidung erwiesen sich die Nachbarschaftsbeziehungen. So etwa entschlossen sich mit dem Oberhofstatt-Bauern (Nummer 53) in den folgenden Wochen weitere Nachbarn, darunter ein Kreditbürge (Nummern 18, 22, 37 und 38), zur Antragstellung. Bäuerliche Nachbarschaftsbeziehungen waren überaus bedeutsam in einer Region, in der Kleinhäusler/-innen als flexible Arbeitskraft- reserve kaum verfügbar waren und die verstreuten Einzelgehöfte fernab der Sied- lungen der unterbäuerlichen Bevölkerung lagen. Zwischen benachbarten Gehöften wurden, vor allem zu den saisonalen Arbeitsspitzen, Arbeitskräfte ausgetauscht ; individuelle Besuche und familiäre Feiern bekräftigten die Tauschbeziehungen in ritueller Weise.59 Der Arbeitskräftetausch zwischen kooperierenden Höfen machte Nachbarschaftsbeziehungen zum Kapillarnetz der dörflichen Kommunikation ; so vermochten diese, gerade im arbeitsreichen Hochsommer, den Informationsfluss, die Meinungsbildung und die Entscheidungsfindung zur Entschuldungs- und Aufbauaktion zu kanalisieren. Die multifunktionalen, saisonal verdichteten Nachbarschaftsbeziehungen der bäuerlichen Haushalte begünstigten die Antragswelle im Juli und August 1938 in
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder