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408 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“
als in Heidenreichstein und St. Leonhard am Forst, wo das Verhältnis etwa eins
zu vier war. Die wesentlichen Akteure auf dem landwirtschaftlichen Kreditmarkt
waren die Niederösterreichische Landes-Hypothekenanstalt in Wien für den mit-
tel- und langfristigen Hypothekarkredit, die regionalen Sparkassen für den Real-
und Personalkredit, die lokalen Spar- und Darlehenskassen, darunter vor allem die
Raiffeisenkassen, für den Personalkredit sowie private Kreditgeber vor Ort.98 Wa-
ren- und Handwerkerleistungen als Schuldursachen hatten in Heidenreichstein
geringe Bedeutung ; dagegen wogen hier die Honorarforderungen von Ärzten, No-
taren und anderen Freiberuflern am schwersten. Beide Akzente dürften mit der
kleinbetrieblichen, an der familiären Selbstversorgung orientierten Wirtschafts-
logik im Rahmen der agrarisch-industriellen Erwerbskombination zusammen-
hängen : Nur die Güter und Dienstleistungen, die der Familienbetrieb selbst nicht
herstellen konnte, wurden zugekauft. In Frankenfels und St. Leonhard am Forst
lasteten erhebliche Erbschaftsschulden auf den Betrieben ; hingegen hatte diese
Schuldenart in Auersthal und Heidenreichstein weitaus weniger Gewicht. Dieser
Unterschied dürfte mit den regional unterschiedlichen Arten der Übertragung von
ländlichem Grundbesitz zusammenhängen : In den ersteren Gemeinden wurden
die meist arrondierten Grundbesitzkomplexe ungeteilt auf die Nachfolger/-innen
Tabelle 5.7 : Schulden der Entschuldungsbetriebe nach Kulturfläche in den
Gemeinden Auersthal, Frankenfels, Heidenreichstein und St. Leonhard am Forst
1938–1944
Terzile Auersthal
(N = 16) Frankenfels
(N = 36) Heidenreich-
stein
(N = 12) St. Leonhard/F.
(N = 38)
RM/
Hof RM/
ha KF RM/
Hof RM/
ha KF RM/
Hof RM/
ha KF RM/
Hof RM/
ha KF
kleinere Betr. (Terzil 1) 3.219 1.415 2.664 161 2.104 724 4.181 1.027
mittlere Betr. (Terzil 2) 5.574 1.275 2.586 90 5.546 923 7.242 844
größere Betr. (Terzil 3) 7.525 629 4.008 99 3.783 310 10.229 618
Gesamtheit 5.448 895 3.086 108 3.811 542 7.217 739
Anmerkung : Auersthal : Terzil 1 : 1,8–3,3 ha, Terzil 2 : 3,4–5,5 ha, Terzil 3 : 7,7–16,6 ha, Frankenfels :
Terzil 1 : 2,5–25,0 ha, Terzil 2 : 25,8–29,9 ha, Terzil 3 : 30,0–53,9 ha, Heidenreichstein : Terzil 1 : 1,2–4,7
ha, Terzil 2 : 4,9–8,5 ha, Terzil 3 : 9,7–14,2 ha, St. Leonhard/F. : Terzil 1 : 2,1–6,9 ha, Terzil 2 : 7,1–10,3
ha, Terzil 3 : 10,5–30,1 ha.
Quelle : eigene Berechnungen (Datenbasis : 102 Betriebe) nach NÖLA, Amt NÖLReg, L.A. VI/12,
Entschuldungsakten, AZ 263 (Auersthal), AZ 337 (Heidenreichstein), AZ 909, 912, 925, 928, 931 (St.
Leonhard am Forst), AZ 1378 (Frankenfels).
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937