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435Staatshilfe
als „Auslese“
auch der damit verbundenen Intention der Planungs- und Entscheidungsträger.
Dies belegt das Resümee, das Walter Lechler aus seiner Studie zur Kapitalausstat-
tung der ostmärkischen Landwirtschaft zog :
„Zusammenfassend stelle ich fest, daß die bäuerlichen Betriebe der Ostmark, insbe-
sondere die des Gebirges, des Einsatzes weiterer erheblicher Mittel bedürfen, um die
Leistung ihrer Erzeugung entsprechend der des Altreiches anzugleichen. Im Flach-
und Hügelland mit Ausnahme der Steiermark und bei den guten Wirtschaften des
unteren Inntales und des Rheintales in Vorarlberg wird das Kreditbedürfnis der Höfe
für Investierungen im allgemeinen auf dem offenen Kreditmarkt befriedigt werden
können. Für die Bergbauernbetriebe, für Teile des Wald- und Mühlviertels und für
das südöstliche Flach- und Hügelland wird es dagegen unerlässlich sein, noch auf
längere Zeit hin Aufbaumittel zu nur 2 v.H. Verzinsung und langfristiger Tilgung
bereitzustellen.“166
In ähnlicher Weise können wir auch August Lombars Büchlein aus der Nach-
kriegszeit lesen. In paradoxer Weise liefert der Autor mit seiner Rechtfertigung
der Landstellen als ‚unpolitische‘, allein dem bäuerlichen und Gemeinwohl ver-
pflichtete Behörden Argumente, die dazu geeignet sind, seinen eigenen Argu-
mentationsgang zu widerlegen. Der Verteidiger in eigener Sache wird darüber un-
freiwillig zum Kronzeugen der Anklage : „Für den Einsatz der staatlichen Mittel
war der Grundsatz maßgebend, daß die landwirtschaftliche Entschuldung und
der Betriebsaufbau im Interesse der Allgemeinheit zur Sicherung der Volkser-
nährung sowie zur Erhaltung eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes
zur Durchführung gelangen.“167 Die Rede von der „Sicherung der Volksernäh-
rung“ verweist auf die agrarökonomische Auslese ; der „Bauernstand“, vor allem
seine mittelständischen Vertreter/-innen, erhalten ihre Existenzberechtigung als
„Ernährer des Volkes“ zugesprochen. An derselben Stelle wird der Autor diesbe-
züglich deutlicher : Es sei „vernünftiger, den natürlichen Ausleseprozeß walten zu
lassen als unfähige Betriebsinhaber mit staatlichen Mitteln zu stützen“.168 Nur der
„leistungsfähige“, im Wettbewerb auf den Märkten bestehende Landwirt schien
unter diesem Gesichtspunkt der staatlichen Förderung würdig. Mit der „Erhaltung
eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes“ wird zugleich auf die rassen-
ideologische Auslese verwiesen ; danach wird die Existenz der „Bauern“, in ers-
ter Linie der Gebirgsbauern, als „Blutsquell des Volkes“ gerechtfertigt. Auch dazu
äußert sich Lombar in unmissverständlicher Weise : „Die Bergbauern haben mit
Rücksicht darauf, daß sie neben ihrem Beitrag zur Volksernährung eine siedlungs-,
bevölkerungs- und grenzpolitische Aufgabe erfüllen, einen berechtigten Anspruch
darauf, daß ihnen der Staat die zur Sicherung einer ausreichenden Existenzgrund-
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937