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446 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“
‚großen Sprung‘ der „Aufrüstung des Dorfes“ im erweiterten „deutschen Lebens-
raum“.
Dieser, so Haushofer, „inneren Gesetzmäßigkeit“ von Pilot- und Gesamtprojekt
folgend, wurden 1942 die Agenden für die „Aufrüstung des Dorfes“ der Bergland-
abteilung unter Reinthaller zugeordnet.203 Die organisatorische Koppelung der
beiden Projekte lässt darauf schließen, dass der „Gemeinschaftsaufbau im Berg-
land“ einer Zweier-Koalition entsprang : des in der Ämterhierarchie aufgestiege-
nen „Bauernführers“ aus der Provinz, um seine Behörde über ein Vorzeigeprojekt
zu legitimieren, und des absteigenden Reichsbauernführers in der Metropole, um
seiner Technisierungsutopie den Anschein von Machbarkeit zu verleihen. Auch
Himmler, Darrés mächtigster Gegenspieler, sah den zunächst skeptisch betrach-
teten „Gemeinschaftsaufbau“ schließlich als Versuchsstation der „Dorfaufrüs-
tung“ – allerdings im Hinblick auf die Umsiedelung deutscher „Bergbauern“ zur
„Germanisierung“ Osteuropas.204 Der in seinen Diensten stehende Organisator
des Generalplans Ost, Konrad Meyer, sprach diesen Zusammenhang offen an :
„Wie die Aufbaugemeinden in den Bergbauerngebieten zeigen, fördert die Einschal-
tung der dörflichen Gemeinschaft nicht nur den Aufbau selbst, sondern vermag auch
den dörflichen Zusammenhalt zu stärken. Bei der ländlichen Neuordnung im Alt-
reich und bei der Ostsiedlung wird es sicher nicht anders sein.“205
Somit erscheint der „Gemeinschaftsaufbau im Bergland“ als gemeinsamer Nen-
ner agrarpolitischer Entscheidungsträger, die unterschiedliche, mitunter einander
widerstrebende Planungsprojekte betrieben. Erst die besondere Dynamik des Ag-
rarapparats 1939/40 aktivierte die allgemeinen Triebkräfte der Aktion – den ras-
senpolitischen Impetus zur Festigung der bergbäuerlichen Bevölkerung als dem
wertvollsten Teil des „Bauerntums“ sowie den ernährungspolitischen Impetus zur
Schließung der „Fettlücke“ durch die Steigerung der alpinen Milch- und Fleisch-
produktion.206
Zur Jahresmitte 1939, noch vor der Einrichtung der Berglandabteilung, be-
gannen in Pichl-Obersdorf im Kreis Gmunden in Oberdonau die Vorarbeiten für
das, was ein Jahr später als „Gemeinschaftsaufbau“ bezeichnet wurde. Dieses Vor-
zeigeprojekt galt amtsintern als eines, bei dem „Geld keine Rolle“ spiele.207 Folg-
lich präsentierte das Wochenblatt bereits zur Jahresmitte 1941 eine stolze Bilanz :
Elektrifizierungen, Entwässerungen, Um- und Neubauten von Wohn- und Wirt-
schaftsgebäuden, Maschinenanschaffungen und so fort.208 Vor dem Hintergrund
der Erfahrungen dieses Pilotprojekts erstellte die Berglandabteilung Richtlinien
für die bürokratische und planerische Abwicklung des „Gemeinschaftsaufbaus“
(Abbildung 5.17). Danach lag die Leitung eines Projektes beim Reichsstatthalter,
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937