Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 464 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 464 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 464 -

Bild der Seite - 464 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 464 -

464 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ handelte es sich um ein tragendes Element des technisch aufgerüsteten „Hoforga- nismus“. Der Plan visualisiert ein architektonisches Dispositiv,235 das die betrieb- lichen und häuslichen Alltagsroutinen der darin Arbeitenden und Lebenden in fachmännisch geordnete Bahnen zu lenken suchte. In welchem Verhältnis stand die planerische Vision zur realen Umsetzung des „Gemeinschaftsaufbaus“ ? Das ist freilich die am schwierigsten zu beantwortende Frage. Immerhin verfügen wir über mehrere gedruckte und archivalische Äuße- rungen Heinrich Brauners, des eifrigen Lobbyisten des „Gemeinschaftsaufbaus“ in Ybbsitz. Im Mai 1941, während der Planungsphase, meldete Brauner in der in Fachkreisen angesehenen Wiener Landwirtschaftlichen Zeitung mit einem Beitrag über Psychologische Richtlinien im Gemeinschaftsaufbau des Berglandes seinen An- spruch auf Führungskompetenz an. Er sah die bäuerliche Psyche durch ein Gleich- gewicht individualistischer und kollektivistischer Züge gekennzeichnet ; diese An- lage sei zu stärken, um der Industrialisierung und Verstädterung ein auf dem Land verwurzeltes „Bauerntum“ entgegenzusetzen : „Mit anderen Worten, wenn es gerade dem Bergländer, der noch ein ursprüngliches Freiheits- und Persönlichkeitsbewußtsein ebenso wie eine noch nicht angekränkelte bäuerliche Hof- und Dorfgemeinschaft besitzt, nicht gelingt, sich gegen die derzeit in höchster Blüte stehende Gemeinschaftsform der Stadt zu behaupten und ihr eine neue gleichwertige Form  – trotz der Belastung durch Krieg, Landflucht und Produk- tionssteigerung  – entgegen zu setzen, würde eine strategische agrarpolitische Position verloren gehen, mit den weittragenden Folgen hieraus.“236 Es schien dem Autor um nichts weniger als den Untergang des (Abend-)Landes in einer industrialisierten und urbanisierten Gesellschaft zu gehen ; dabei wurde keine offensive „Reagrarisierung“, sondern nur mehr defensiv die Koexistenz von ländlicher und städtischer „Gemeinschaftsform“ angepeilt. Als Mittel zur Er- reichung dieses Zieles sah er den „Gemeinschaftsaufbau im Bergland“. Dieses Mittel  – der Autor sprach, entsprechend der pathologisierenden Metaphorik des Bergbauern-Syndroms, von einer „Methode“  – müsse an die Doppelnatur der bäu- erlichen Psyche anknüpfen : „Das Demoralisierende jeder Beihilfe mußte daher ebensogut vermieden werden, wie es unbedingt notwendig war und ist, dem an Betriebsmitteln völlig entblößten Bergbauer alle Mittel an die Hand zu geben, um die Modernisierung seines Betriebes und damit seines Lebens zu vollziehen.“237 Erst die Kombination aus genossenschaftlicher Zusammenarbeit und staatlicher Hilfe garantiere die Erreichung dieses Zieles. Die Genossenschaft, die Brauner im Auge hatte, war jedoch keine egalitäre, sondern eine hierarchische ; sie bedurfte der „Menschenführung“ durch bäuerliche und staatliche Kräfte : „die bäuerliche In-
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder