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466 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“
folgers zur Verfügung gestellt. Dies verweist auf zwei wesentliche Steuerungspro-
bleme des Projekts : die „kriegswirtschaftlichen Hemmungen“ vonseiten des poli-
tisch-ökonomischen Systems sowie die in der örtlichen Alltagswelt ausgebrochenen
„Kinderkrankheiten“. Im Bericht suchte Brauner die Erklärung Haushofers, des
Beauftragten des Reichsstatthalters, wonach in Ybbsitz bislang „nichts geschehen
sei“, zu entkräften und die Entscheidungsträger in der Berglandabteilung vom „im
Jahre 1942 so glücklich angelaufene[n] Werk“ zu überzeugen.244
Der Tätigkeitsbericht listet die 1942 geplanten und in weiterer Folge durchge-
führten sowie teilweise oder zur Gänze aufgeschobenen Arbeiten auf. Dabei ging
es nicht mehr darum, den von der Landesbauernschaft Donauland erstellten Auf-
bauplan abzuarbeiten ; vielmehr sollten dessen Grundsätze an die eingeschränkten
Möglichkeiten pragmatisch angepasst werden :
„Es war von vorneherein klar, dass die Hauptaufgabe darin bestehen konnte, den Ge-
meinschaftsaufbau überhaupt in Schuss zu bringen und diejenigen Aktionen zu star-
ten, deren Durchführung auch im Kriege verantwortet werden konnte und die somit
dem Gemeinschaftsaufbau nicht so sehr einen friedensmässigen Aufbaucharakter, als
den einer kriegswirtschaftlichen Notwendigkeit zu verleihen im Stande waren.“245
Kurz, der „Gemeinschaftsaufbau“ als Großprojekt wurde abgesagt, bevor er noch
richtig angelaufen war. Um die militaristische Metaphorik Brauners zu bemühen :
Der Generalstabschef der Ybbsitzer Bauernschaft musste die Offensive zum „Ge-
meinschaftsaufbau“ abblasen und stattdessen seinem Feldherrn den Befehl zum
Ausbau der Verteidigungsstellung geben. Dennoch konnte der Aufbauleiter zu
Jahresende 1942 auf eine Reihe von Aktivitäten zurückblicken. Der Tätigkeitsbe-
reich der Aufbaugenossenschaft, der etwas mehr als 200 Betriebsbesitzer/-innen
als Mitglieder abgehörten, war in drei Bereiche gegliedert : Der Bereich „Men-
schenführung“ sah Vorträge, Besichtigungen, Pressearbeit, Gesundheitswesen, Ge-
meinschaftsarbeiten, Arbeits- und Materialvorschreibungen sowie den Einsatz von
Kriegsgefangenen vor. Der Bereich „Agrartechnik“ umfasste den Grundstücksver-
kehr, den Güterwegebau, Entwässerungen, Wasserleitungsbauten, Wasseruntersu-
chungen, die Errichtung von Seilbahnen und -winden, das Fernsprechnetz und
die Elektrifizierung. Im Bereich „Betriebswirtschaft“ war die Förderung von Bo-
denuntersuchungen, Düngung, Pflanzenbau, Saatgutbeschaffung und -versuchen,
Hauswirtschaft, Viehzucht, Milchwirtschaft, Maschineneinsatz und Baumaßnah-
men geplant.
Bis Jahresende 1942 wurden im Arbeitsbereich „Menschenführung“ 18 Ver-
sammlungen mit fachlichen und politischen Schulungsvorträgen abgehalten,
eine landwirtschaftliche Berufsschule für Mädchen gegründet, Holz für den Bau
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937