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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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471„Aufrüstung“ in den Bergen ren Maßnahme. Der an den Universitäten Graz und Wien lehrende und in „ras- senkundlichen“ Vereinigungen engagierte Kinderarzt Franz Hamburger259 führte in Zusammenarbeit mit dem Ybbsitzer Gemeindearzt 1941 eine groß angelegte Gesundheitsuntersuchung durch als Grundlage einer „biologischen Bestanderhe- bung“ der Gemeindebevölkerung.260 Bereits für die Bestandserhebung der Lan- desbauernschaft Donauland habe er die Bewohner/-innen „als rassisch gut, zwar nicht sehr kräftig, eher etwas unterdurchschnittlich groß, aber als gesunden, fri- schen Menschenschlag“261 bezeichnet. Was die bäuerliche Schamgrenze offen- bar überschritt, war die Untersuchung und die damit verbundenen Fragen nach vergangenen Krankheiten durch vier Medizinstudentinnen ; dies „fand bei den Bauern wenig Verständnis und verursachte zum Teil größere Widerstände“, wie Haushofer berichtete.262 Die katholisch-konservative „Gegenpropaganda“ gegen den „Gemeinschaftsaufbau“ wie die „größere[n] Widerstände“ gegen die „biologi- sche Bestandserhebung“ markierten die kulturellen Grenzen der Akzeptanz, die in Verbindung mit den sozialen Grenzen der Adäquatheit und den wirtschaftlichen Grenzen der Effizienz die Durchschlagskraft des „Gemeinschaftsaufbaus“ in der ländlichen Gesellschaft  – und damit die Kolonialisierung der bäuerlichen Alltags- welt durch das NS-System  – hemmten. Die bezifferbaren Ergebnisse des „Gemeinschaftaufbaus“ in Ybbsitz, sofern wir diese bis Jahresende 1942 verfolgen konnten, nehmen sich gegenüber den hoch- fliegenden Plänen äußerst bescheiden aus. Von den projektierten 14,3 Millionen Reichsmark war nur ein Bruchteil  – laut Brauners Tätigkeitsbericht für die Zeit von Jänner bis September 1942 Aufbaumittel des Reichsstatthalters von 129.700 Reichsmark ausschließlich der agrartechnischen Maßnahmen der Agrarbezirksbe- hörde  – investiert worden.263 Dennoch würde ein Fazit, das den „Gemeinschafts- aufbau“ als Gigantomanie einer irrationalen Planungselite abtut, zu kurz greifen. Auch die gegenteilige Folgerung, die Aufbaumaßnahmen seien „nach 1945 eindeu- tig ein Vorteil für die betroffenen Gemeinden“ gewesen, mag für einzelne Gemein- den zutreffen, harrt für die Gesamtheit aber noch einer genaueren Überprüfung.264 Beide Bilanzen beschränken sich auf die technischen Aspekte ; darüber hinaus zeitigte der „Gemeinschaftsaufbau“ in Ybbsitz auch institutionelle Ergebnisse. Eine ganze Generation von Agrarfunktionären, -bürokraten und -wissenschaftern sowie bäuerlicher Betriebsinhaber/-innen setzte sich mit einer produktivistischen Alternative zum Status quo der Agrarentwicklung auseinander  – und nicht we- nige fühlten sich von der Vision einer kapitalintensiven, spezialisierten und kom- merzialisierten Berglandwirtschaft bäuerlicher Prägung angesprochen. So gesehen bildete das, was in Ybbsitz in den frühen 1940er Jahren geplant und, zum kleinen Teil, verwirklicht wurde, die Avantgarde eines Modernisierungsprojekts, das die Agrarentwicklung in den Berggebieten (Nieder-)Österreichs in der Nachkriegszeit
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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