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496 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“
vität. Sie tendierten zur Auflösung der Grenze des lokalen und regionalen Agrar-
systems zur Umwelt und, in weiterer Folge, zur Eingliederung in das überregionale
Agrarsystem des ‚nationalen Hofes‘. Fluchtpunkt dieses anvisierten Entwicklungs-
pfades war ein staatlich gesteuerter, mit industriellen Faktor- und Produktmärkten
eng verflochtener Agrarsektor mittelbäuerlichen Zuschnitts
– eine Koppelung von
bäuerlicher Familienwirtschaft und (staats-)kapitalistischer Marktsphäre. Teil die-
ses produktivistischen Megaprojekts war die „Hausfrauisierung“ der Bäuerin, die
etwa in der Architektur der Neubauten als „erfundene Tradition“ angelegt war.
Zwar stieß die Erziehung des ‚fleißigen‘ und ‚frommen‘ zum ‚produktiven‘ und ‚völ-
kischen‘ Bergbauern an den äußeren und inneren Widersprüchen des „Gemein-
schaftsaufbaus“ an Grenzen ; dennoch nahm dieser Entwurf Entwicklungsprojekte
der Nachkriegszeit vorweg.
Die Übernahme organisch- und mechanisch-technischer Neuerungen hing
nicht allein von politisch-ökonomischen Maßnahmen, sondern auch von den je-
weiligen Ausprägungen der Agrarsysteme ab. Der Einsatz von Handelsdünger
war an ökologische und ökonomische Möglichkeiten und Grenzen gebunden.
Die Mechanisierung hing nicht nur von betrieblichen Mindestgrößen, sondern
auch von den vorherrschenden Betriebszweigen ab : Wo etwa Acker-, Futter- oder
Kartoffelbau hervortraten, waren dafür spezialisierte Maschinen wie Drill-, Mäh-
maschinen oder Kartoffelsilos nicht nur in größeren, sondern auch in kleineren
Betrieben weit verbreitet. Auch Größe und Zusammensetzung des Viehbestandes
gestalteten sich je nach (unter-)bäuerlichem und gutsbetrieblichem Agrarsystem
unterschiedlich, sodass kein einheitlicher Trend ersichtlich ist. Insgesamt verteilten
sich die Betriebe ziemlich gleichmäßig auf die Bereiche intensivierender Auf- und
extensivierender Abstockung. Nach Agrarsystemen zeigen sich vielfältige Stile der
Viehnutzung – Weitermachen, Umkrempeln und Aufwirtschaften –, die teils betrieb-
lichen Produktions-, teils familiären Reproduktionsbedürfnissen folgten.
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937