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537Wirtschaftsberatung
vor Ort
wenn schon nicht materiell, so doch ideell zu überbrücken. Diesem Strickmuster
folgend, sprach auf der Tagung Heinz Haushofer von der Behörde des Reichs-
statthalters in Niederdonau über Ziele und Aufgaben der deutschen Agrarpolitik
nach dem Kriege,172 und der Agrarökonom Ludwig Löhr erörterte Wechselseitige
Forderungen von Agrarpolitik und Landbau.173 Ein weiterer agrarpolitischer und
agrarökonomischer Beitrag bestimmte Die Einwirkungen der südosteuropäischen
Agrarentwicklung auf die deutsche Landwirtschaft.174 Eine andere Gruppe von
Beiträgen befasste sich mit der Organisation der Wirtschaftsberatung im Rah-
men des Reichsnährstandes, von der Reichs- über die Landes- bis zur Kreis- und
Ortsebene, sowie mit „Richtzahlen“, die zur Beurteilung der Beratungsbetriebe
dienten.175 Schließlich bot eine Gruppe von Vorträgen Anleitungen zur För-
derung des Pflanzenbaus und der Tierhaltung, zur bäuerlichen Siedlung, zum
Gemeinschaftsaufbau im Bergland und zum Technikeinsatz auf dem Hof.176 Im
Rahmen einer Besichtigung einer Beispielgemeinde hatten die Teilnehmenden
„Gelegenheit, sich nicht nur von dem ungebrochenen Aufbauwillen des ostmär-
kischen Bauern, sondern auch von den technischen und wirtschaftlichen Mög-
lichkeiten des Ausbaues der Betriebe und der Steigerung der Produktion zu über-
zeugen“177.
Ein etwa zur selben Zeit von der Landesbauernschaft Donauland produzierter
Lehrfilm setzte das Ideal der Wirtschaftsberatung anschaulich in Szene :
„Von Dorf zu Dorf, von Hof zu Hof, manchmal unter den schwierigsten Verhält-
nissen, auf unwegsamen Straßen, fährt der Wirtschaftsberater des Reichsnährstan-
des als rechter Freund des Bauern und zeigt ihm die vielfältigen Möglichkeiten, die
wissenschaftliche Forschung und praktische Erprobung gezeitigt haben. Der Erfolg
kann nicht ausbleiben. Während der Fortschrittsbauer mit aufgeschlossenem Sinn für
die neue Zeit sich beraten läßt und den Erfolg in einer gut geführten, ertragsreichen
Wirtschaft vor Augen hat, bleibt der auf seinen unzulänglichen Arbeitsmethoden Be-
harrende immer weiter zurück und kann kaum soviel schaffen, um seine Schulden zu
decken. Dieser Film ist aufs beste dazu angetan, auch diesem rückschrittlichen Bauer
klar vor Augen zu führen, daß die Erzeugungssteigerung der maßgebliche Faktor für
den Wirtschaftserfolg ist, zu dem ihm der Reichsnährstand führen will und auch
führt.“178
Der Film ist ein Schlüsseldokument des aufgeklärten Paternalismus des Reichs-
nährstandes, wie ihn etwa Ludwig Löhr, der führende Agrarökonom der Landes-
bauernschaft Donauland, immer wieder skizziert hatte. Das Gegensatzpaar von
„Fortschrittsbauern“ und „rückschrittlichem Bauern“ markiert die Möglichkeiten
und Grenzen der Wirtschaftsberatung ; wo der Ratschlag des Wirtschaftsberaters
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937